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Packender ARD-Film schildert Justizskandal Harry Wörz

Packender ARD-Film schildert Justizskandal Harry Wörz

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Foto: Sebastian Hattop/ SWR
Ein ARD-Film schildert das Schicksal von Harry Wörz. Viereinhalb Jahre saß er unschuldig hinter Gittern. Erst ein neuer Prozess bewies, dass er nicht der Täter sein konnte. Bei „Anne Will“ wird anschließend über den Justizskandal diskutiert.

Stuttgart. 

Viereinhalb Jahre sitzt er unschuldig im Gefängnis, über 13 Jahre kämpft er für sein Recht. Der Fall Harry Wörz ist einer der größten Justiz-Irrtümer in der Geschichte der Bundesrepublik.

Ein Mann, der nur deshalb verurteilt wird, weil man ihn gerne als Täter sehen möchte. Und das vor allem, weil sich die Ermittler, die Polizei und wohl auch die Justiz, von Anfang an auf ihn kaprizieren. Denn wenn er es nicht ist, wäre es womöglich einer aus den eigenen Reihen.

Das gelingt wohl nur selten: dass der Zuschauer das Ende einer Geschichte bereits kennt, ihre Auflösung sozusagen, und ein Fernsehfilm dennoch bis zur letzten Minute spannend bleibt.

Man mag Till Endemann und Holger Joos (Regie und Drehbuch) vorwerfen, dass sie die Geschichte etwas bieder und vielleicht auch eindimensional inszeniert haben, anrührend, ja auch packend bleibt sie dennoch. „Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz“ (ARD, Mittwoch 20.15 Uhr) schildert, wie einer, der sich nicht wehren kann, diesem Rechtsstaat hoffnungslos ausgeliefert ist.

Denn Recht haben, heißt nicht Recht bekommen, sagt der Volksmund. Und Harry Wörz (Rüdiger Klink), der Bauzeichner aus Pforzheim, bekommt das bitter zu spüren. Nur eineinhalb Jahre lebte er mit seiner Ehefrau, einer Polizistin, zusammen, bevor sie auszieht und ein Verhältnis mit einem verheirateten Kollegen beginnt. Im Frühjahr 1996 ist das.

Am Morgen des 29. April 1997 dann wird Harry Wörz überfallartig verhaftet, als er sein Haus verlässt. In der Nacht war seine Ex-Ehefrau stranguliert und bewusstlos in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Entdeckt hat sie ihr eigener Vater, ein Polizist. Silke erleidet schwere Hirnschäden, wird nie wieder das Bewusstsein erlangen.

Elf Jahre Gefängnisstrafe

Die Ermittlungen hat die Polizei Pforzheim übernommen. Ausgerechnet die Kollegen ihres Vaters, ihres Geliebten. Bald steht der Ex-Mann allein im Fokus. Es habe Streit um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn gegeben, die Situation sei eskaliert. Wörz wird in einem Indizien-Prozess zu elf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags verurteilt.

Erst als Wörz Schwiegereltern ihn wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagen, scheint sich das Blatt zu wenden. Der junge Rechtsanwalt Hubert Gorka (Felix Klare) übernimmt den Fall, stellt den ersten Prozess massiv in Frage. Unterstützt von Harry Wörz selbst, der die Akten im Gefängnis akribisch überprüft, beweist er, wie schlampig ermittelt worden ist. Beweisstücke sind verschwunden, Akten verwechselt, Zeugen-Aussagen verfälscht wiedergegeben.

Die Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe weist die Klage der Schwiegereltern ab. Es soll jedoch noch Jahre dauern, bis Wörz in einem Wiederaufnahme-Prozess freigesprochen wird.

Anwalt Gorka: „Nah an der Realität“

Vermutlich ist es der Fülle der Fakten, der Ereignisse geschuldet, dass der 90-Minüter Harry Wörz’ Geschichte so komprimiert und einzig aus seiner Perspektive schildert. Dennoch ist er ein spannender Film.

Auch der reale Hubert Gorka, der Karlsruher Rechtsanwalt, empfindet ihn als „ganz nah an der Realität, auch wenn der Fall in Wirklichkeit noch viel schwieriger war“, erklärte der Jurist gestern gegenüber unserer Redaktion und: „Es gibt drei große Verlierer in diesem Fall: Harry Wörz, dessen Leben fast zerstört wurde, seine Frau und der gemeinsame Sohn.“

Zu ihm hat Harry Wörz bis heute keinen Kontakt mehr.