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Marteria: Reime zum Nachdenken

Marteria – der nachdenkliche Rapper

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Rapper Marteria hat es ganz nach oben geschafft. Foto: Sony
Marteria war Fußballer und Model, jetzt ist er Deutschlands erfolgreichster Rapper. Aber Nummer Eins-Hits, sagt er, sind ihm nicht so wichtig. Er will, dass die Menschen über seine Musik nachdenken

Köln. 

Der Mann ist in Eile. „Soundcheck, sorry“, sagt Marteria und muss sich kurz fassen. Gespräch verschieben würde allerdings nichts bringen. Ist nämlich immer etwas los zurzeit. Wie das so ist, wenn man allgemein als bester deutscher Rapper gehandelt wird, gerade ein Nummer eins-Album abgeliefert hat und auf einer Tournee ist, bei der an den meisten Hallen schon seit Wochen der Hinweis „Ausverkauft“ auf den Ankündigungen steht. Und wo sie mitsingen auf dem Konzert: „Alle haben ‘nen Job, ich hab’ Langeweile…“

Dabei gibt es so viel, über das man sich unterhalten kann mit Marteria, der eigentlich Marten Laciny heißt und im Rostocker Stadtteil Groß Klein aufwächst. Gerade mal 31 Jahre ist er, hat aber schon mehr erlebt als viele Leute bis zu ihrer Rente. Mit 17 holt ihn Horst Hrubesch in die Fußball-Jugendnationalmannschaft. Als er mit 18 seine Schwester in New York besucht, spricht ihn auf der Straße ein Scout an und fragt ihn, ob er nicht Model werden möchte. Möchte er und tauscht Fußballtrikot gegen elegante Anzüge. Nur um dann doch wieder zurückzukehren nach Rostock, um: Hip-Hop zu machen.

„Da klingt jetzt im Nachhinein manches besser als es war“

„Na ja“, sagt Marteria, „da klingt jetzt im Nachhinein manches besser als es war.“ Vor allem die Model-Zeiten in den USA. „Da gab es auch Phasen, in denen ich von zwei Dollar am Tag leben musste.“ Bereut aber hat er keine seiner Entscheidungen, versichert er. „Klar habe ich mich manchmal gefragt, wo ich heute wohl stehen würde, wenn ich mit dem Fußball weitergemacht hätte.“ Oder auf dem Laufsteg. Letztendlich aber, sagt er, „ist es perfekt, so wie es gekommen ist“.

Vier Alben unter zwei verschiedenen Namen braucht es, um auch außerhalb der Rap-Szene bekannt zu werden. Menschen jenseits der 40 lernen Marteria oft erst vor gut zwei Jahren kennen, als er zusammen mit Miss Platnum und Yasha die „Lila Wolken“ besingt, Nummer eins in den Charts wird und aus allen Boxen dröhnt. Aber der Song ist völlig untypisch für ihn, viel opulenter als die Nummern auf seinem jüngsten Album „Zum Glück in die Zukunft II“, das ihn für viele zum Retter des deutschen Hip Hop macht.

Neuestes Album an der Spitze der Charts

Wer Sprechgesang mag, aber mit dem eintönigen, oft beleidigenden Gelaber von Bushido und Kollegen nicht viel anfangen kann, der hört nun Marteria. Okay, im Video zur Single „Bengalische Tiger“ fliegen Molotow-Cocktails und werden Baseball-Schläger geschwungen. Aber wirklich aufgeregt hat das niemanden bisher.

Vielleicht weil Marteria keiner ist, der in seinen Texten Hass versprüht. Seine Raps sind keine Ansammlung von Schimpfwörtern, sondern, sprachverliebt, oft doppeldeutig und gerne unterlegt mit minimalistischen Beats oder Saxophon-Samples. Und gegen Homosexuelle hat er auch nichts. Im Gegenteil: „Ich fahr’ mit ’nem eigenen Wagen über den CSD, schmeiß’ Gummis in die Menge und schrei’ gay okay!“ heißt es in einem Song.

Was manchem Rap-Kollegen wohl missfällt, kommt beim Otto-Normal-Hörer offenbar gut an. Das jüngste Album ist direkt an die Spitze der Charts geschossen und Lieder wie „Kidz“ oder „OMG“ laufen auf einschlägigen Radiosendern, den sogenannten „Jugendwellen“, rauf und runter.

Nummer eins-Platzierungen sind ihm nicht so wichtig

Aber Nummer eins-Platzierungen, sagt Marteria, seien ihm nicht wichtig. Und Musik nur zum Tanzen will er eigentlich auch nicht machen. Er sei politischer geworden in den letzten Jahren, „auch durch die vielen Reisen, die ich gemacht habe“. Für jedes Stück auf dem Album hat er ein anderes Land besucht und dort ein Video gedreht. Und in vielen dieser Songs findet man nun kleine Anekdoten, „politische Anspielungen und Sachen, die nicht richtig laufen in diesem System. Überall auf der Welt – nicht nur in Deutschland.“ Deshalb findet er es gut, „wenn man über meine Songs nachdenkt“. Selbst wenn da nicht jede Zeile auf Zustimmung stößt. „Manchmal“, sagt Marteria, „muss Musik auch wehtun.“