Vor etwa 30 Jahren erschütterte eine Gangster-Bande Belgien. Sie ermordete 28 Menschen. Die Täter seien im Neonazi-Milieu zu suchen, sagt jetzt eine Richterin. Sie hatten ein perfides Ziel: Die Killer wollten die Ohnmacht des Staates vorführen.
Brüssel.
Sie überfielen zwischen 1982 und 1985 Supermärkte, Geschäfte und Gasthöfe in kleinen Orten im Hinterland der Hauptstadt Brüssel und in Nordfrankreich. Sie verbargen das Gesicht hinter Karnevalsmasken und hielten Pump-Guns in den Händen. Mit den „Killern von Brabant“ war nicht zu spaßen. Nach etwa 30 Jahren kommt in den Fall Bewegung.
Diese Woche nahm die Polizei einer der Häuptlinge in Gewahrsam. Er soll der zweite Mann hinter dem „Kapitän“ gewesen sein, Anführer einer belgischen Wehrsportgruppe.
Ladenbesitzer, Kunden, Passanten – wer sich ihnen in den Weg stellte, riskierte sein Leben. Und viele verloren es. Bei einem ihrer blutigen Beutezüge 1985 erschossen erst drei Personen in einem Supermarkt, dann zogen sie 30 Kilometer weiter und töteten fünf weitere in einem anderen Geschäft.
Rechte Miliz
Die Geschichte zählt zu den spektakulärsten Kriminalgeschichten Belgiens. Um die Bevölkerung zu beruhigen, postierte die Polizei Sonder-Streifen an den großen Einkaufszentren. Doch trotz der Vorkehrungen erschossen die Killer am 8. November 1985 im ostflandrischen Aalst acht weitere Personen. Das war das letzte Blutbad, das die Bande anrichtete. Insgesamt töteten sie 28 Menschen.
Schon frühzeitig verdichteten sich Hinweise, wonach die Überfälle auf das Konto einer rechten Miliz gingen, die mit den Gräueltaten die Ohnmacht der Staatsgewalt vorführen wollten. Zweimal wurde in diese Richtung ermittelt, beide Mal ergebnislos.
Die Untersuchungsrichterin Martine Michel aus Charleroi, die jetzt das Dossier in den Händen hat, ist nach wie vor überzeugt: Die Täter sind im Neonazi-Milieu zu suchen, in den Reihen einer früheren Geheimmiliz. Im Mittelpunkt steht erneut ein Mann, auf den die Ermittler schon in den 1980er-Jahren aufmerksam geworden waren. Michel Libert zählte zur Führung der im Untergrund operierenden Truppe namens „Westland New Post“ (WNP), einer Art belgischer Wehrsportgruppe, die sich aus Angehörigen der Streitkräfte und der Gendarmerie rekrutierte.
In Polizeigewahrsam
Angeblich war die WNP 1979 gegründet worden, um die US-Geheimdienste beim Kampf gegen den Kommunismus zu unterstützen. Anführer des braunen Haufens war ein gewisser Paul Latinus, genannt „der Kapitän“. 1984 beging er Selbstmord, Libert war seine Nummer zwei. Bisher nur als Zeuge gehört, wurde der Mann diese Woche erstmals in Polizei-Gewahrsam genommen und als Verdächtiger vernommen. Er soll eingeräumt haben, seinerzeit Einkaufszentren und Supermärkte ausgekundschaftet zu haben. Das würde passen zu Einlassungen eines zweiten Ex-Aktivisten der WNP, der diese Woche im belgischen Fernsehen auftrat.
Eric Lammers alias „die Bestie, verurteilter Mörder zweier Antwerpener Diamanten-Händler und derzeit frei auf Bewährung, erzählte im Fernsehen, er habe persönlich mit der Killer-Bande nichts zu tun gehabt, seine WNP-Kameraden vermutlich aber sehr wohl.
„Wir haben mit der WNP Warenhäuser ausgespäht. Wir haben nachgeguckt, wie man die Läden am besten überfallen könnte. Das haben wir in Geschäften gemacht, wo nachher die Bande zugeschlagen hat, und in anderen.“