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Fisch-Pediküre findet immer mehr Anhänger

Fisch-Pediküre findet immer mehr Anhänger

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In Europa ist die Pediküre mit den kleinen Doktorfischen ein boomendes Geschäftsmodell. Außer in NRW. Die Landesregierung hat sich bis jetzt nicht zu einer einheitlichen Haltung durchringen können, ob Fische in der Kosmetik aus Hygienegründen eingesetzt werden dürfen.

Mallorca. 

„Huch“, gibbelt die ältere Dame auf der Bank nebenan. Von Schuhen und Strümpfen befreit, versucht sie gerade ihre Füße in ein Aquarium vor ihrem Sitz zu platzieren. Doch jedesmal, wenn die Fußsohlen die Wasseroberfläche berühren, stürzen sich geschätzte tausend kleine gefräßige braune Fische auf ihre Zehen. „Uuuh“, raunzt die Frau. Je tiefer die Füße ins Wasser vordringen um so länger wird ihr einsilbiges „Uuuuuuuhhhh“.

Denn die kleinen Saugbarben, aus der Türkei oder Thailand stammende Kangalfische oder Garra Rufas, schwimmen mit offenen Mäulern auf die Beine los. Knabbern sofort. Wuseln zwischen den Zehen. Zuppeln an alten Hautfetzen. Kitzeln. Die Pediküre mit den kleinen Fischen scheint ein Geschäftsmodell mit Zukunft zu sein. Auf Mallorca haben die neuen Wellness-Tempel Konjunktur. An fast jeder Strandpromenade hat im vergangenen Jahr mindestens ein Fish-Spa eröffnet.

Auch in Deutschland wächst die Fan-Gemeinde. „Mich haben im vergangenen Jahr etwa fünfzehnhundert Menschen angerufen, die wissen wollten: Was muss ich tun, wenn ich ein Fish-Spa eröffnen möchte“, erzählt Andreas Heine. Medienberater des Berliner Doctor Fish-Spa.

NRW führt den Tierschutz an

Einfach ist die Antwort nicht. Denn in Deutschland haben sich Landesregierungen und Veterinärämter nicht zu einer einheitliche Haltung durchringen können. Was in Berlin problemlos als Geschäftsmodell genehmigt wird, dass „Fische die Arbeit einer Kosmetikerin vollenden“, ist in Nordrhein-Westfalen verboten.

Nadim Khechen, Inhaber des Essener Catwalk, hat die Erfahrung gemacht. Am Abend hat er auf einer Flagge seine neuen knabbernden Helfer angepriesen, am nächsten Morgen stand das Veterinäramt vor der Tür. Die schriftliche Aufforderung, die tierische Pediküre sofort einzustellen, soll demnächst ins Haus flattern. „Ich überlege jetzt, gerichtlich gegen dieses Verbot vorzugehen“, erläutert Khechen.

Laien mit einem zementierten Halbwissen

Ob er Erfolg hat? Das Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LaNUV) hat im September in einem Schreiben den Kommunen und Kreisen von einer Genehmigung für kosmetische Zwecke abgeraten. Ein solches Unternehmen sei mit den „Grundsätzen des ethischen Tierschutzes nicht vereinbar, weil durch die Haltung den Fischen unvermeidbare Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt werden“.

Tierschützer sehen es ähnlich. „Besonders kritisch ist auch die Hygiene“, sagt die Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzverbandes Marion Dudla. Eine Übertragung von Krankheiten über die Fische könne nicht ausgeschlossen werden, so dass eine Anwendung nur in Beisein und unter Aufsicht von ausgebildeten Heilpraktikern, Therapeuten oder Ärzten vorgenommen werden sollte. Über die Möglichkeiten von Krankheitsübertragungen streiten sich zurzeit weniger die Gelehrten, als viel eher Laien mit einem zementierten Halbwissen. Momentan gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen.

Betreiber der Spas halten die Argumente für Humbug. „Natürlich“, sagt Heine, „Fische können nicht zum Anwalt gehen.“ Von daher verlangt er eine Kontrolle der Unternehmen. Er sagt aber auch: „Gerade bei Neurodermitis-Patienten haben die gierigen Fische zu einer Linderung der Beschwerden geführt.“ Die Lobby der teuren Cortisonpräparate sehe dies natürlich überhaupt nicht mit Freude.

Keine wissenschaftliche Untersuchung

Allerdings: In Deutschland unterscheidet man zwischen Kosmetik- und Heileinrichtungen. Letztere bekommen die Erlaubnis zur Behandlung mit den Doktorfischen leichter. Warum? Weiß niemand. Denn in Bezug auf Schuppenflechte-Patienten gibt es bisher nur eine wissenschaftliche Untersuchung. Aus dem Jahr 2002. Aus Österreich. Dort beobachtete man 67 Patienten. „95 Prozent waren nach der Behandlung zwischen 6,05 und 11,11 Monate ohne störende Hauterscheinungen“, urteilte Martin Gassberger von der Medizinischen Universität Wien.

Auf Mallorca ist das alles kein Problem. Die ältere Dame nebenan hat sich an das kribbelnde Gefühl gewöhnt, gluckst nicht mehr ihr „uuuuhhh“ heraus, sondern lächelt nur noch versonnen.