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Fingerhakler kämpfen bis aufs Blut

Fingerhakler kämpfen bis aufs Blut

Georg Brandhofer zieht mit aller Kraft am Lederriemen. Er lehnt sich mit dem Rücken nach hinten, drückt das rechte Bein gegen den Tisch vor ihm. Der 17-Jährige beißt die Zähne zusammen, er zieht und zieht. Sein Gegner hält von der anderen Seite des Tisches dagegen, bis Brandhofer den Lederriemen schließlich über die Mittellinie zerrt und damit die Runde gewinnt.

Lenggries (dapd). Georg Brandhofer zieht mit aller Kraft am Lederriemen. Er lehnt sich mit dem Rücken nach hinten, drückt das rechte Bein gegen den Tisch vor ihm. Der 17-Jährige beißt die Zähne zusammen, er zieht und zieht. Sein Gegner hält von der anderen Seite des Tisches dagegen, bis Brandhofer den Lederriemen schließlich über die Mittellinie zerrt und damit die Runde gewinnt. Bei der Bayerischen Meisterschaft im Fingerhakeln sind am Sonntag (12. August) in Lenggries etwa 150 Männer angetreten – selbstverständlich in bayerischer Tracht.

Die Fingerhakler müssen nicht nur stark sein, sondern auch Schmerz aushalten: blutige Finger gehören bei dem bayerischen Sport zum Wettkampf dazu. Brandhofer reibt sich den rechten Mittelfinger mit Magnesium ein. Dieses Mal muss die rechte Hand ran, der linke Mittelfinger blutet noch von der letzten Runde, da hat er sich mit dem Lederriemen die Hornhaut abgerissen. Der Jugendliche steht in der Endrunde der Bayerischen Meisterschaft in der Gruppe der 16- bis 18-Jährigen, der Ansager kündigt ihn als „Lokalmatador“ an. Sein Team, der Fingerhakel-Verein Isargau, richtet die Meisterschaft in Lenggries aus. Brandhofer, der 2011 die Deutsche Meisterschaft gewonnen hat, gilt auch als Favorit für den bayerischen Titel.

In der Endrunde sitzt Brandhofer dem 16-jährigen Franz Seitz vom Gau Altmühltal gegenüber. Beide Burschen haben um ihren blutenden linken Finger jeweils ein Taschentuch gewickelt, den rechten fädeln sie in den Lederriemen ein. Der Schiedsrichter gibt das Kommando: „Beide Hakler, fertig, zieht!“ Brandhofer lehnt sich noch mal weit nach hinten und zerrt kräftig am Riemen. Jetzt geht es um den Titel. „Isargau, Isargau“, ruft das Publikum im Festzelt – doch Brandhofer muss sich geschlagen geben. Sein Gegner, Franz Seitz, schafft am Ende das Leder auf seine Seite und wird neuer Bayerischer Meister im Fingerhakeln. Brandhofer wird Vizemeister, zwei Freunde aus seinem Verein tragen ihn auf ihren Schultern von der Bühne. Sie sind stolz auf den 17-Jährigen, auch wenn er den Titel knapp verpasst hat.

Hakeln ist Männersport – Frauen sind tabu

Bei der Bayerischen Meisterschaft treten nur Männer an, so verlangen es die Regeln des Landesverbands der bayerischen Fingerhakler. Warum Frauen nicht mitmachen dürfen, erklärt Thomas Kell vom Fingerhakelverein Isargau knapp: „Das passt einfach nicht“.

Insgesamt nehmen an der Meisterschaft in Lenggries neun Gaue teil, die Hakler sind aus dem Spessart oder dem Bayerischen Wald angereist. Die meisten kommen jedoch aus Oberbayern, wo der Sport traditionell stärker verankert ist. Abgesehen von der Jugend, den Junioren und den Senioren treten die Fingerhakler wie in anderen Kraftsportarten in verschiedenen Gewichtsklassen an. Bis 70 Kilogramm zählt man etwa als Leichtgewicht, ab 90 Kilogramm als Schwergewicht.

Die Wunden heilen schnell

Das Fingerhakeln verlange einiges von den Männern ab, betont Josef Hartl, Vorsitzender des Fingerhakel-Vereins Isargau. „Wer einen der vorderen Plätze erreichen will, muss fit sein“, sagt er. Georg Brandhofer hat schon einige Monate vor dem Wettkampf angefangen, sich vorzubereiten. Mit Gewichten und Expandergummis hat er Muskeln und Sehnen in Händen und Armen trainiert, zudem fährt er viel Rad. Wie die meisten Hakler ist Brandhofer mit dem bayerischen Sport aufgewachsen, seit er fünf Jahre alt ist, übt er mit seinem Vater und seinem Großvater.

Dass er sich bei Wettkämpfen regelmäßig die Hornhaut vom Finger reißt und mit einem Verband nach Hause kommt, schreckt den 17-Jährigen nicht ab. „Wenn du beim Wettkampf auf der Bühne bist, kriegst du gar nicht mit, ob du Schmerzen hast oder nicht“, erzählt er. Die Wunde schließe sich ohnehin recht schnell wieder. „Ab nächster Woche kann ich wieder trainieren“, sagt er.

dapd