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Feiner Dandy und böser Bube – Helmut Berger wird 70

Feiner Dandy und böser Bube – Helmut Berger wird 70

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Helmut Berger Foto: dpa
Mal Weltstar, mal Penner – Helmut Berger war in beiden Rollen zu besichtigen. Als „Ludwig II.“ schrieb der Österreicher Filmgeschichte, im „Dschungelcamp“ erregte er Mitleid. Doch eines war der Mime nie: langweilig. Am Donnerstag wird der ewige Dandy 70.

Essen. 

Da haben sie gelacht auf dem Boulevard, als Helmut Berger vor einem Jahr für eine Stippvisite ins „Dschungelcamp“ zog. Ausgerechnet Berger, einst von der Vogue zum schönsten Mann des Universums gekürt, versumpft in den Niederungen des medialen Abschaums? Der tiefe Fall des großen Film- und Theaterschauspielers, der offen bekannte, dass er von 450 Euro Rente lebe und in die Zweizimmerwohnung seiner verstorbenen Mutter nach Salzburg ziehen müsse?

Oder war es nicht eher eine Spielart des ewigen Dandys, der wie ein Kunstwerk über der profanen Wirklichkeit schwebt, die der Pose nichts anhaben kann, ein Unbeirrbarer, der sich für keine Peinlichkeit schämen müsste? Helmut Berger, voll unbändiger Lust und mit dem Hang zur Exzentrik, wird am Donnerstag 70, das letzte Kapitel über ihn ist nicht geschrieben.

Berger betrunken beim Spiegel-Interview

Berger, im beschaulichen Kurort Bad Ischl im Salzkammergut geboren und in Salzburg groß geworden, hat es den Spöttern in den vergangenen Jahren freilich nie schwer gemacht, seinen Absturz zu dokumentieren. Ein „Spiegel“-Reporter beschrieb vor anderthalb Jahren lustvoll den mehr oder weniger gescheiterten Versuch, ein verabredetes Interview mit Berger in dessen bescheidener Wohnung zu führen, der torkelnde Schauspieler war offenkundig nur zu ein paar Sätzen in der Lage.

Bei öffentlichen Auftritten, selbst bei der Vorstellung eines wunderbaren Bildbandes über ihn, pöbelte er gerne herum. Sah man ihn in irgendwelchen Fernsehrunden, so schien er meist angetrunken und erinnerte in seiner Unberechenbarkeit an fast vergessene Momente mit Klaus Kinski, auch wenn er dessen manische Boshaftigkeit nicht erreichte. Auf die Frage, weshalb er dem Komiker Jörg Knör in einer Sendung bei Markus Lanz während einer Rangelei in den Schritt gepackt habe, sagte Berger Tage später völlig entspannt: „Das ist mein üblicher Griff.“ Er wolle nun einmal gerne wissen, was er in der Hand habe.

Und doch haben sie ihn in Cannes, wo sie Künstlichkeit nicht mit Spinnerei verwechseln, dieser Tage wieder gefeiert. Für seinen starken Auftritt in der Rolle des alten Yves Saint-Laurent, in der Berger seine emotionale Kraft noch einmal ausspielt und seine Mitstreiter blass aussehen lässt. Berger, der sich mit einem neuen Liebhaber präsentierte, ein Millionärssohn, hübsch und 36 Jahre jünger, verströmte auf der Croisette noch einmal das Flair der alten Grandezza, das ihn in der 70ern umwehte.

Es waren die Tage, als er in den Spitzenhotels der Welt logierte, zwischen St.Tropez und Gstaad herumjettete, um die Partys der High Society mit seinem entwaffnenden Glanz zu adeln, als er, bekennend bisexuell, angeblich Affären mit Bianca und Mick Jagger hatte, mit Helmut Lang, Rudolf Nurejew, Ursula Andress, Nathalie Delon.

Zwölf Jahre lang der Geliebtevon Regisseur Luchino Visconti

Zwölf Jahre lebte er an der Seite des italienischen Regisseurs Luchino Visconti, dessen Tod ihn 1976 nach eigenem Bekenntnis in eine tiefe Sinnkrise stürzte und, was er nicht hinzufügte, die Zeit seiner Leinwand-Triumphe beendete. Ihm verdankt Helmut Berger seine herausragenden Rollen, etwa im Meisterwerk „Die Verdammten“ (1969) oder als schizophrener Märchenkönig „Ludwig II.“ (1972), der Film, der ihn zum Star machte und sein Image als ein der Welt Entrückter polierte.

Er war die Idealbesetzung des ewig jungen, aber fluchbeladenen „Dorian Gray“ in Massimo Dallamanos Verfilmung des Oscar-Wilde-Klassikers oder des melancholischen Literaturprofessors in Vittorio de Sicas Drama „Der Garten der Finzi Contini“. Francis Ford Coppola engagierte ihn 1990 für eine kleine Rolle als schmieriger Vatikanbanker in „Der Pate 3“; große Spielräume eröffnete Berger das nicht mehr. Was folgten, waren nur noch Skandälchen.

Am Ende seiner Karriere freilich sieht er sich trotz aller Eskapaden nicht. Den Mut, mit ihm zu drehen, muss man indes erst einmal aufbringen. Aber es kann sich lohnen.