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Ein Schlossherr voller Energie

Ein Schlossherr voller Energie

Lüdenscheid. 

Hübsch, das Schloss, und so schön bunt. Nur tut das Foto dem Grafen weh, von der Seele bis ins Portemonnaie. Denn warme Farben haben auf der Fassade nichts zu suchen, Wärme gehört hinter die Wände, und die sind eigentlich bruchsteinbraun. Dies ist ein Thermobild, und man könnte nun glauben: Schloss Neuenhof in Lüdenscheid ist ein hoffnungsloser Energieverschwender. Der Schlossherr aber – ist ein hoffnungsvoller Energie-Wender.

Haupthaus und Vorburg,1800 Quadratmeter, 80 Fenster

Vor den alten Baumeistern hat Alhard Graf von dem Bussche-Kessell „größte Hochachtung“. Für Jahrhunderte haben die gebaut! Aber um 1750 ahnten sie ja noch nichts von der Energiekrise. Nicht einmal etwas von Strom und dessen steigenden Preisen, nichts von Ölkesseln, die zigtausend Liter im Jahr verschlingen. Und nichts von erbarmungslosen Wärmebildkameras. Aber nun haben sie ihm dieses barocke Schmuckstück hinterlassen, Haupthaus, Vorburg, Ställe, 1800 Quadratmeter, 80 Sprossenfenster, „kein einziges modernes Gebäude“. Und der sechsfache Vater will ein Bewahrer sein: „Oberstes Ziel ist es, das Erbe in die nächste Generation zu bringen. Wir wollen nicht die Generation sein, die das Ganze aufs Spiel setzt.“

Nur kann er seinem Wasserschloss nicht das Fundament abgraben, keine Dämmplatten auf die alten Steine kleben oder Solarzellen aufs Dach. Selbst von innen sind die Fenster kaum zu dichten, zusätzliche Scheiben sind zwar bereits unauffällig angebracht, aber auf die dicken Mauern „kann man nicht einfach 20 Zentimeter draufpacken“. Graf von dem Bussche zeigt auf feinen Stuck in den Nischen – will das einer zukleistern?

Aber auch „Denkmäler sind keine hoffnungslosen Fälle“ haben sie ihm bei der Verbraucherzentrale gesagt, die sogar ein Programm aufgelegt hat für immerhin 80 000 historische Gemäuer im Land: das „Energieeffizienzhaus Denkmal“. Und der Graf hat ja längst angefangen. Große Teile des Dachs sind neu gedeckt, die Zwiebeltürme sind darüber grün und blau geworden auf dem Thermobild, und Grün und Blau tun hier nicht weh. Jetzt will er eine Holzheizung: Die Vorfahren machten in Eisen, hatten Hammerwerke und Hütten im Tal, heute aber ist der Familien- ein Forstbetrieb: „Der abhängig ist von externen Energieträgern? Idiotisch, nicht die eigenen Rohstoffe zu nutzen. Unmöglich!“

Unmöglich schien bislang aber auch, die neue Anlage zu bauen. Ein „richtiges Industriewerk“ soll es werden, je nach Marktlage mit Pellets oder Holzschnitzeln zu betreiben – nur müssen die 125 Heizkörper in Büros, Mietwohnungen, Gartensaal auch angeschlossen werden. Schon mehrere Installateure sind daran gescheitert. Dabei würde man dem Grafen beinahe zutrauen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. So viel hat sich Von dem Bussche angeeignet über Kilowatt, Effizienz und Bauphysik, er spricht das reinste Energie-Chinesisch – für Laien, die nicht jeden Tag ein Wasserschloss sanieren.

Der gelernte Forst- und Betriebswirt tut das seit Jahrzehnten. Millionen hat er in das Schloss gesteckt, „alle fünf Jahre“, schätzt der 66-Jährige, „ein Einfamilienhaus“. Kein Wunder, dass ihn Kinder manchmal fragen, ob er als Graf so richtig reich sei? Dann lacht er sein warmes Lachen, „es geht unheimlich viel in den Erhalt“, sagt er, aber diese Investitionen bringen ja keinen Ertrag.

Außer den, dass er hier wohnen kann, wie später sein Sohn und dessen Nachkommen. „Auf Schritt und Tritt weht einen die Familiengeschichte an.“ Zuweilen, sagt er ernsthaft, „erscheinen einem die Ahnen auch als Geister“. Anzunehmen, dass sie mit Wohlwollen sehen, wie ihr Erbe dem Schloss dient und damit den Bürgern, die gern hier herkommen: „Wenn das Familienvermögen zerbröselt, ist das Denkmal nicht mehr da.“