Zwischen Scherben, benutzten Papiertaschentüchern und alter Currywurst liegt ihre Beute: Pfandflaschensammler müssen bisweilen im Müll wühlen, um an die begehrten Flaschen zu kommen. Unwürdig, findet ein Kölner Design-Student – und entwickelt eine Lösung: Den Pfandring. Jetzt sucht er Unterstützer.
Köln.
Dass Paul Ketz überhaupt auf die Idee kommen konnte, ist eigentlich traurig. Denn seine Erfindung gibt es nur, weil manche Menschen auf das Sammeln von Pfandflaschen angewiesen sind. Pfandring nennt er die orangefarbene Stahlkonstruktion mit den runden Löchern, die wie ein Becherhalter für Großfamilien aussieht.
Zehn bis 15 Flaschen oder Dosen passen in die Vorrichtung. Sie soll an öffentlichen Mülleimern angebracht werden, damit Menschen ihre Mehrwegflaschen nicht wegwerfen, sondern abstellen. „Ich dachte mir, es ist doch verrückt, dass Leute Pfand wegschmeißen, den andere haben wollen“, erklärt der Kölner Design-Student.
Internet-Ratgeber für Flaschensammler
Vor gut anderthalb Jahren hat er den ersten Prototypen zusammengeschweißt. Den montierte er an einen Mülleimer in Köln und filmte die Reaktionen der Menschen. „Es war verblüffend, die Leute haben den Ring ganz selbstverständlich genutzt und ihre Flaschen abgestellt. Und die Sammler haben sie mitgenommen“ – ohne dass sie dafür im Müll zwischen Scherben, alter Currywurst und benutzten Papiertaschentüchern wühlen mussten.
Der 25-Jährige hat mit seiner Erfindung einen Nerv getroffen – längst ist das Flaschensammeln kein Randphänomen mehr. Die Sammler, die Plätze und eben auch Mülleimer nach Pfand absuchen, gehören in allen größeren Städten zum Straßenbild. Im Internet gibt es gar – mehr oder minder – hilfreiche Ratgeber für die Pfand-Jäger: „Merken Sie sich gute Sammelplätze und erzählen Sie niemandem davon“, heißt es etwa in einem Eintrag auf helpster.de mit dem schon beinahe zynisch anmutenden Titel „Pfandflaschen sammeln – so geht’s dezent und erfolgreich„.
„Nur Aufträge per Telefon“
Paul Ketz ist jedenfalls offenbar nicht der einzige, der Flaschensammlern das Leben leichter machen will. Der Berliner Student Jonas Kakoschke etwa hat die Internetplattform Pfandgeben.de geschaffen. Die Idee: Sammler und Menschen, die ihre Pfandflaschen loswerden wollen, werden zusammengebracht. Auf der Startseite wählen Pfandgeber einfach ihre Stadt aus und bekommen dann Handynummern von Pfandnehmern angezeigt, die sie anrufen können.
Deutschlandweit seien 2000 Pfandnehmer registriert, sagt Jonas Kakoschke, der die Idee dazu „beim Gespräch mit Freunden“ hatte. Allein in Essen sind über 20 Pfandnehmer registriert, mit Spitznamen wie „pfand007“, „Fundorter“ oder schlicht „Rudi“. Über ihre Tätigkeit sprechen wollen die, die ans Telefon gehen, nur ungern. Einer stellt sofort klar, dass er kein Pfandsammler ist, sondern eben nur „Aufträge per Telefon“ annehme. Das Konzept funktioniere, „alle paar Tage klingelt das Telefon“. Angewiesen sei er aber nicht darauf, betont er.
Hilfe 2.0: Im Internet sucht Ketz nach Unterstützern
Eine andere Idee stammt ebenfalls aus Berlin. „Pfand gehört daneben“ heißt die Kampagne, die mithilfe von Aufklebern und Plakaten Solidarität mit Pfandsammlern fordert. „Der Hintergrund: Mülleimer zu durchsuchen ist gefährlich, entwürdigend und muss nicht sein! Für denjenigen, der eine leere Flasche loswerden möchte, macht es kaum einen Unterschied, ob er sie in den Mülleimer wirft oder daneben stellt“, schreiben die Initiatoren Matthias Seeba-Gomille und Mischa Karafiat auf ihrer Internetseite. Die Aktion hat bekannte Unterstützer wie die Rockbands Jennifer Rostock und Beatsteaks; die „Pfand gehört daneben“-Aufkleber sind in städtischen Szene-Kreisen geradezu en vogue.
Paul Ketz indes sucht noch nach Unterstützern. Dabei hat er mit seiner Erfindung sogar den Ecodesign-Preis des Bundesumweltministeriums gewonnen. Denn der Ring schone auch die Umwelt, sagt der Jung-Designer: „Es werden tonnenweise Pfandflaschen nicht gefunden, die dann einfach verbrannt werden.“ Auch die Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe seien begeistert vom Flaschenring gewesen, erzählt er. Trotzdem wollte die Stadt Köln seine Erfindung nicht. Es schade dem Stadtbild, habe man ihm gesagt, erzählt Ketz.
In der Tat sei man von der Optik nicht überzeugt, sagt Carla Stuwe von den Abfallwirtschaftsbetrieben. „Auch haben wir uns gefragt, ob der Bedarf wirklich da ist.“ Aber man werde das Thema weiter beobachten: „Das schlägt sicherlich nochmal hier auf, je nachdem wie sich der Pfandring entwickelt.“
Duisburg ist interessiert an der Erfindung
In Essen hat man schon vom Pfandring gehört, ist aber skeptisch. „Wir haben ein wenig die Befürchtung, dass dann einfach jeder die Flaschen mitnimmt, und nicht nur diejenigen, die darauf angewiesen sind“, sagt Stadt-Sprecher Stefan Schulze. Vor allem aber glaube man, dass der Ring Randalierer animiert,die Flaschen kaputtzuschlagen. „Dann liegen da überall Scherben rum“, so Schulze. Aber man beobachte, wie andere Städte damit umgehen, denn: „An einzelnen Stellen, etwa vor Jugendhäusern, kann es sein, dass wir den Pfandring einsetzen.“ Flächendeckend wird es ihn in Essen aber wohl nicht geben.
Die Stadt Duisburg zeigt sich indes interessiert: „Das Thema betrifft uns ja wie jede andere Großstadt auch, wir hätten da schon Interesse“, sagt Sarah Mdaghi, Sprecherin bei den Duisburger Wirtschaftsbetrieben. Bleibe nur die Frage: „Was kostet der Spaß?“ Das sei genau das Problem, sagt Paul Ketz: „Der Pfandring kostet 400 Euro pro Stück, für die meisten Städte ist das zu teuer.“ Deshalb setzt er jetzt auf Crowdfunding: Unterstützer können zunächst Fan der Idee werden und sich später mit Beträgen ab 5 Euro am Projekt beteiligen, damit der Pfandring in die Massenproduktion gehen kann; Helfen 2.0.
Pfandring soll 50 Euro kosten
Inzwischen hat er die Urversion seiner Erfindung zusammen mit seinem großen Bruder Fabian und einem befreundeten Ingenieur verbessert. „Jetzt gibt es ihn auch für die 30713“, sagt er und meint die Din-Nummer jener meist grünen Standard-Mülleimer, die in vielen deutschen Städten an den Straßenmasten hängen. „Wenn wir mithilfe von Crowdfunding davon 1000 Stück herstellen können, kostet der Ring nur noch 50 Euro“, sagt Ketz. Da liege für die Städte die Schmerzgrenze. Reich werde er mit seiner Idee sicher nicht, „will ich auch nicht“, sagt der Student. Aber dass seine Idee Realität wird, das würde ihm schon viel bedeuten. Übrigens: Wer sich mit 50 Euro beteiligt, bekommt einen der Pfandringe: Ein Designerstück für die Mülltonne – im wahrsten Sinne.