„Ich habe Angst, heute Nacht zu sterben“ – die siebenjährige Bana el-Abed twittert gemeinsam mit ihrer Mutter aus dem bombardierten Aleppo.
Aleppo.
Am 1. Oktober twittert Bana al-Abed ein Foto von sich und ihren beiden Geschwistern. Drei lachende Kinder, die auf Kissen sitzen; Bana, das älteste, ist sieben Jahre alt. Eine ganz normale Familienszene, wäre sie nicht aufgenommen im bombardierten Aleppo im Norden Syriens. Gemeinsam mit ihrer Mutter Fatemah zeigt Bana bewegende Eindrücke aus dem syrischen Krieg – in 140 Zeichen fasst sie auf englisch zusammen, wie nah Leben und Tod dort beieinander liegen. „Kinder zu töten, ist kein Krieg, es ist ein Verbrechen. Wie könnt ihr 200 Kinder in wenigen Tagen töten?“, hatte Fatemah keine Stunde zuvor verzweifelt gefragt.
„Bombs“ – dieses Wort taucht in fast jedem zweiten Tweet auf. Bomben, die auf das Nachbarhaus fallen, Bomben, die in der Ferne zu hören sind, Bomben, die das Krankenhaus zerstören, Bomben, die Kinder töten. Ein Foto zeigt das zerbombte Haus von Banas Freundin, „sie wurde getötet. Ich vermisse sie so sehr“, schreibt das siebenjährige Mädchen.
Zwischen den grausigen Kriegseindrücken sind es immer wieder die Bilder, die wegen ihrer vermeintlichen Normalität ans Herz gehen. Auf einem sitzt Bana an ihrem Schreibtisch und liest, „um den Krieg zu vergessen“. Auf einem anderen steht sie als Kleinkind im Schnee, eingepackt in Winterjacke, Schal und Wollmütze; ein Moment, der vor dem Krieg eingefangen wurde. Bana möchte Lehrerin werden, „aber dieser Krieg tötet meinen Traum. Stoppt die Bombardierung. Lasst mich Englisch und Mathe lernen“. Sie selbst kann nicht mehr zur Schule gehen – sie ist zerstört.
Über 43.000 Tausend Follower hat die kleine Bana bereits. Der „Guardian“ hat mit ihr und ihrer Mutter ein Gespräch über Skype geführt. Bana habe sie gefragt, warum die Welt sie nicht höre, warum niemand ihnen helfe, erzählte die Mutter der britischen Tageszeitung. Daraufhin habe sie den Twitteraccount eröffnet. Das war am 24. September. Über 430 Tweets haben Mutter und Tochter seitdem abgesetzt. Einige Twitterer zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Accounts, sehen ihn als Propagandainstrument. Am Dienstag fragte Fatemah ihre Follower, wie sie ihr Profil verifizieren könne. Noch kann man nicht mit Sicherheit feststellen, ob es die siebenjährige Bana und ihre Familie tatsächlich gibt. Aber das Video, in dem sie sich die Ohren zuhält, weil in der Nähe Bomben einschlagen, bewegt zutiefst – verbunden mit den Sätzen: „Ich habe Angst, heute Nacht zu sterben. Die Bomben werden mich jetzt töten“.
Aber am nächsten Morgen schreiben Bana und Fatemah ihren Followern, dass sie noch leben. Und immer wieder schreibt die Siebenjährige den einen Satz, der auch ihr erster Tweet war: „Ich will Frieden“.