Die Deutschen lieben ihr Sofa und träumen von offenen Küchen
Bei der Einrichtung mögen es die Deutschen konservativ. Sie legen viel Wert auf eine Couchgarnitur und eine Schrankwand im Wohnzimmer. Von der offenen Küche träumen dagegen sehr viele Menschen, tatsächlich findet sie sich aber in kaum einer Wohnung. Das ergab eine Wohnstudie.
Köln.
Sie ist ein Traum: Diese offene Wohnküche mit dem Design zum Dahinschmelzen. Eine gut gelaunte Familie trifft sich am freistehenden Kochblock mit Marmorplatte. Die süßen Kinder sitzen auf Barhockern mit Edelstahlfuß und warten darauf, dass Mama die Pasta vom fünfflammigen Gasherd zieht. Unterdessen spiegelt sich in der hochglänzenden schwarzen Schrankfront der Papi. Er zapft Eiswürfel aus einem in den Kühlschrank integrierten Crusher.
Die offene Wohnküche – sie ist ein Traum und sie bleibt auch ein Traum. Denn die Wohnwahrheit der Deutschen sieht anders aus. Die Mehrheit lebt nicht dieses Leben aus dem Katalog. Ihre Wohnkultur ist bodenständig und spielt sich zwischen Sofa-Ecke, Grünpflanze und der soliden Schrankwand aus Holz ab. Das belegt eine Studie, die das Möbelunternehmen Interlübke zu seinem 75. Geburtstag in Auftrag gegeben hatte. Es ist die größte Wohnstudie seit mehr als 20 Jahren.
Wo die Wohnrealität von den Träumen abweicht
Theorie und Realität stimmen selten überein. Wohnmagazine leben zwar vor, wie Räume verschmelzen. Da werden Wände rausgerissen, damit Küche und Esszimmer eins werden oder das Wohnzimmer zum Wohnarbeitskoch-Multitalent gepimpt wird. Vorschläge, mehr nicht. „Es ist etwas ernüchternd, dass die Wohnrealität von den Trends abweicht“, sagt Interlübke-Geschäftsführer Leo Lübke. Die Deutschen wollen lieber Türen hinter sich zuziehen und genießen daheim Gutes von gestern: Raufaser und davor eine Schrankwand mit Fernseher. Und erst die geliebte Sitzgarnitur! 95 Prozent der 1000 Befragten würden sich davon nie und nimmer dauerhaft runterbewegen. Gemütlichkeit geht vor.
So wohnt sie, so wohnt er
Wo wir gerade beim Kuscheln sind: Männer und Frauen harmonieren in vielen Punkten. Manchmal aber auch nicht. Sie will Gardinen, er eine Stereoanlage. 81 Prozent der Damen legen Wert auf Stoff vor dem Fenster, Männer mögen es gerne nackt – also das Fenster. Auch für Teppiche können sich Frauen eher erwärmen als Männer (68 zu 54 Prozent). „Aber die Unterschiede sind nicht so groß, dass sie zum großen Krach zwischen den Geschlechtern führen würden“, sagt Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner, der die Studie des Marktforschungsinstituts Emnid betreut hat. „Frauen wohnen weicher“, lautet sein Fazit.
Auch der Berliner Stil-Professor Axel Venn hat sich mit dem männlichen und weiblichen Wohnen näher beschäftigt. Für das Magazin „Mein schönes Zuhause“ hat er aufgezählt, was Frauen wollen, nämlich: Sofas mit vielen Kissen, gerahmte Familienfotos, Pastelltöne. Und der Haus-Herr? Er will eine Raumatmosphäre aus Kino, Spielsalon und Baumhaus, die Farben Blau und Umbra sowie allgemein die Farben von Holz, Messingleuchten und Materialien aus Leder, Fell und Kaschmir.
Die Wohnung ist den Deutschen wichtiger als Urlaub und Auto
In vielen Punkten sind sich Männlein und Weiblein längst einig. Keiner von beiden mag gerne in einer Höhle hausen, beide lieben sie ein Wohlfühlheim und stecken da gerne Geld rein (68 Prozent). Es ist für sie wichtiger als die Freizeit (58 Prozent), das Auto (37 Prozent) oder der Urlaub (33 Prozent). Dass Frauen in Kinderzimmer, Küche und Bad aufblühen, gehört zu den Klischees, die so alt sind wie die Steinzeit. „Beide Geschlechter fühlen sich eindeutig im Wohnzimmer am wohlsten“, sagt Meinungsforscher Schöppner. In der Küche erleben nur neun Prozent ihren persönlichen Glücksmoment. Sie hat an Bedeutung verloren. 1989, bei der letzten großen Studie, hatten noch 15 Prozent die Küche als ihren Lieblingsraum bezeichnet.
Weder Fitnessgerät noch Kinderbett gehören ins Schlafzimmer
Zu was es – außer für süße Träume – genutzt werden sollte? Nun ja, bei den Männern steht das Intimwerden an erster Stelle (71 Prozent), bei den Frauen das Lesen (73 Prozent). Einig sind sich beide, dass Fitnessgeräte, das Kinderbett und die Arbeitsecke dort eher nichts verloren haben. Auch als Medienlounge muss das Zimmer nicht allzu oft herhalten: Nur 28 Prozent der Befragten schalten hier Radio oder Fernsehen ein, 17 Prozent den Computer oder die Spielkonsole.
Die Deutschen sind mit ihren Wohnungen zufrieden
Die Deutschen wohnen zufrieden. „Acht von zehn Befragten leben aus ihrer Sicht in fast perfekten Wohnungen, in denen sie höchstens einzelne Möbel vermissen“, sagt Emnid-Geschäftsführer Klaus-Peter Schöppner. 1989 war nur knapp die Hälfte der Befragten mit ihrer Wohnung rundum zufrieden.
[kein Linktext vorhanden] Verändert haben sich seitdem die Vorlieben bei der Farbgestaltung. Weißes ist im Kommen (2012: 33 Prozent, 1989: 16 Prozent). Was wiederum Möbelunternehmer Leo Lübke ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Ihn freut auch diese Zahl: Der Durchschnittsdeutsche gibt im Jahr 373 Euro für die Einrichtung seiner Wohnung aus, mehr als jeder andere Europäer, aber nicht genug für eine offene Wohnküche.