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Der Rote Teppich erträgt alles

Eitel, eitler – der Rote Teppich erträgt alles

„New Faces Award“ in den Düsseldorfer Rheinterrassen, wo der Modenachwuchs jährlich mit Preisen belohnt wird. Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten – mit einer plappernden Maite Kelly, Dschungelcamperin Gitta Saxx und Fernsehplaudertante Frauke Ludowig.

Düsseldorf. 

Selbst die Promiexpertin von RTL verliert irgendwann den Überblick am Roten Teppich. „Wer ist das denn?“, fragt sie ihren Kameramann, als der Nebendarsteller einer Vorabendserie an ihr vorbeischleicht. Achselzuc­ken. Weg ist er. Für Nina Heyd läuft es auch nicht viel besser. Brav schleudert die Blondine den Fotografen die gewünschten Kusshändchen entgegen, aber dann wird ihr Ego in Säure gebadet: Die ProSieben-Moderatorin muss Visitenkarten aus dem Handtäschchen hervorkramen, weil keiner sie (er)kennt. Hauptsache, dabei gewesen mit 1200 Anderen beim „New Faces Award“ der Illustrierten „Bunte“ in den Düsseldorfer Rheinterrassen, wo der Modenachwuchs jährlich mit Preisen belohnt wird.

Der Rote Teppich muss den Jahrmarkt der Eitelkeiten auch an diesem Abend mit stummer Würde ertragen. Manchmal würde er sich gern zusammenrollen. Maite Kelly, giftgrüne Schuhe, pinkfarbenes Kleid, ist schon um zehn vor acht da, zehn Minuten bevor der Auftrieb der vermeintlichen Prominenz losgehen soll. Das geht natürlich gar nicht, aber die Frau, die sich unlängst beim RTL-Tanzwettbewerb „Let’s Dance“ zum Sieg wuchtete, genießt dafür um diese Zeit noch die ungeteilte Aufmerksamkeit der Fotografen, die sich in der Boxengasse vor dem Partysaal aufgebaut haben. Im brutalen Scheinwerferlicht kann man die Make-Up-Schichten zählen. Frau Kelly plappert, ohne Luft zu holen, über das lausige Wetter und ihre neue Handtasche. Wer das hören will? Schwer zu sagen, RTL zeichnet es jedenfalls geduldig auf.

Überhaupt verlässt man diesen Abend nicht, ohne dazugelernt zu haben. „Was ist heute ihr wichtigstes Accessoire?“ will die RTL-Frau von einer Moderatorin namens Milka Loff Fernandes wissen. „Mein Lippenstift“, sagt die nach längerem Überlegen. Ob RTL diese Exklusivnachricht in die Spätnachrichten packt?

„Tolles Outfit haben Sie da an“

Nebenan ölt sich der gescheitelte ProSieben-Kollege erfolgreich an Barbara Becker heran: „Tolles Outfit haben Sie da an“, beginnt er sein Gespräch. Mehr will man dann eigentlich nicht mehr hören. Bei so einer Veranstaltung wird sogar Kai Ebel über seine Urlaubspläne interviewt. Hauptsache, weit weg, geht es einem durch den Kopf. Der Rennsportmann von RTL klappt seinen gewaltigen Kiefer so weit auf wie eine Würgeschlange. Man macht sich um das Mikrofon davor Sorgen.

Zu verstehen ist gottlob nichts, weil die Fotografen sich zu neuen Höhen herauflärmen. „Dreh’ dich mal, Johann“, brüllt einer, und natürlich dreht sich Johann. Er würde zum Karussell, wenn man ihn darum bäte. „Da muss mehr kommen, Verena“, schreit sein Nachbar, und Verena, die etwa so viel wiegt wie die Summe ihrer Kleidungsstücke, zeigt ihm die Schulter, natürlich nicht die kalte. Bilder sind schließlich wichtig.

Daneben kreischt eine Kollegin: „Bleib hier, Gitta!“ Überflüssig, denn Dschungelcamperin Gitta Saxx bleibt ja. Nur Känguruhhoden würde sie heute nicht essen. Muss sie auch nicht. Gleich gibt’s Canapés und Champagner. Sie hebt keck das linke Bein und knipst auf Befehl ein Lächeln an, das sie vermutlich lange geübt hat. „Toll“, sagt sie noch. Toll. Ob die Frau andere Kunststückchen kann, bleibt offen, weiter zieht der Tross an den Kameras vorbei.

Frauke Ludowig im Strampelanzug

Das Heer der Nichtfotografierten huscht durch, ein bisschen erinnert das ans Stiertreiben in Pamplona, nur dass es keine Verletzten gibt. Allenfalls verletzte Seelen, denn wer hört schon gerne: „Weg da!“? Wer sich zwischen Barbara Schöneberger oder Son­ya Kraus und die Kameras drängt, darf nicht auf charmante Kommentare hoffen.

Fernsehplaudertante Frauke Ludowig immerhin, die das Promi-Abgreif-Geschäft heute der journalistischen Piepmatzriege am Rand überlässt, verweigert sich überraschenderweise, als man sie um irgendeine alberne Pose bittet. „Das mache ich nicht, das sieht ja blöd aus“, sagt sie. Ihr bonbonfarbener Strampelanzug entschädigt indes für fehlendes Gekas­per. Im Saal dahinter beginnt die Preisverleihung, das Licht geht aus. Man hat eigentlich auch genug gesehen.