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Barfußläufer empfindet ein Gefühl von Freiheit

Barfußläufer empfindet ein Gefühl von Freiheit

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Foto: ddp

Berlin. Schuhe sind unnötiger Ballast, findet Ulrich Konrad. Der 42-Jährige ist überzeugter Barfußläufer. Glasscherben, Dreck und Hundekot machen ihm nichts aus. Konrad schwört dabei auf seine gesunden Füße, die vier von fünf Deutschen eben nicht haben. Ein paar Probleme gibt’s aber doch.

Ulrich Konrad geht fast immer barfuß – auch bei klirrender Kälte von minus zwei Grad. Blasen oder Schweißfüße kennt der Berliner Taxifahrer nicht. «Barfuß laufen ist für mich ein Gefühl von Freiheit», erklärt 42-Jährige. «Durch das Barfußlaufen habe ich ein weiteres Sinnesorgan – und es ist gesund.»

Laut einer Studie der bayerischen Initiative «healthcare» von 2008 haben vier von fünf Bundesbürgern kranke Füße, obwohl 98 Prozent mit gesunden Füßen zur Welt kommen. Ursachen hierfür liegen vor allem in Übergewicht und falschem Schuhwerk.

Zumindest Letzteres bleibt Barfüßlern erspart. «Barfußlaufen gilt als gesunde Tätigkeit für gesunde Füße», erklärt der Orthopäde und Sportarzt Jean-Louis Dumas. Leute, die häufig barfuß laufen, hätten tendenziell weniger Fußerkrankungen und eine stärkere Muskulatur. Der Facharzt empfiehlt deshalb das Barfußlaufen vor allem auf weichen Böden wie Sand oder Rasen. Das sei gutes Training für die Muskulatur und verbessere zudem die Beweglichkeit der Zehen.

„Natürliche Fußreflexzonenmassage“

Für Conrad ist das Barfußlaufen vor allem eine «natürliche Fußreflexzonenmassage.» Der alltägliche Berliner Schmutz, Glasscherben oder Hundeexkremente können seine Leidenschaft nicht stoppen. Als Barfüßer schaut er einfach sorgsamer auf den Boden. Deshalb hat er sich noch nie verletzt. Und der Schmutz, der sei ohnehin nur Staub aus der Luft. «Warum soll ich nicht auf dem laufen, was ich tagtäglich einatme?», fragt er provokant.

Früher schämte er sich, in seinem Heimatbezirk Zehlendorf ohne Schuhe zu laufen. Was könnten wohl die Leute denken? Diese Frage beschäftigte vor allem auch seine Mutter. «Alles gesellschaftlicher Gruppenzwang», winkt er ab. Heute spaziert er frank und frei sogar über den Kurfürstendamm. Schuhe zieht der Taxifahrer nur noch an, wenn er dienstlich unterwegs ist – das schreibt ihm die Taxi-Genossenschaft vor.

«Schuhe sind unnötiger Ballast», sagt auch Johannes Kathol von der Barfuß-Initiative Berlin-Brandenburg. Zusammen mit Ulrich Conrad gründete er 2005 diese Plattform. Der 46-jährige Kathol selbst läuft seit vier Jahren barfuß und liebt es, mit seinen Füßen den Untergrund zu spüren: «Ich fühle mich einfach freier und ungebunder ohne Schuhe.» 2005 nahm der Barfüßler am Berlin-Marathon teil, lief 42 195 Meter in knapp fünf Stunden.

Trend bei Langläufern

«Barfußlaufen liegt im Trend» erklärt Orthopäde Dumas. Immer mehr Barfuß-Vereine bilden sich. In Bayern fand Anfang August der erste Barfußwandertag statt und sogar Schuhhersteller greifen den Trend zunehmend auf, empfinden Schuhe beispielsweise den Fußsohlen von Massai-Kriegern nach. Weil Barfußlaufen empirisch belegt geringere Verletzungsgefahren birgt, sind laut Dumas auch im Sport nackte Füße keine Seltenheit mehr: «Es besteht ein gewisser Trend bei Langläufern.»

Dennoch – gesellschaftlich anerkannt ist das Barfußlaufen nicht. Oft läuft Conrad mit seinen nackten Füßen gegen die gesellschaftliche Wand der Schuhträger. Vor kurzem durfte er einen Discounter nicht betreten, auch Restaurantbesuche scheiterten bereits. Zudem musste Conrad resigniert feststellen, dass er bestimmte Berliner Museen nicht betreten darf: «Der Marmorboden im Pergamonmuseum verträgt kein Salz.» (ddp)