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Ärzte kassieren 34 Millionen Euro ab

Ärzte kassieren 34 Millionen Euro ab

Hamburg. 

Es ist der schillerndste Fall eines deutschen Ärztekrimis der vergangenen Jahre: In Hamburg hat der Prozess um einen mutmaßlichen Millionenbetrug im Gesundheitswesen begonnen – doch der vermeintliche Hauptverantwortliche ist in Dubai und hat nur seinen Anwalt geschickt. Und Dubai liefert ihn nicht aus. Der Radiologe Professor Dr. Wolfgang Auffermann, 59, der einer Duisburger Arztfamilie entstammt, soll die gesetzlichen Krankenkassen mit Komplizen um 34 Millionen Euro betrogen haben. Die Anklage stützt sich auf 51 Fälle von „banden- und gewerbsmäßigem Betrug“, alle mutmaßlich begangen zwischen 2011 und 2012.

Bei dieser Dimension, der Flucht Auffermanns nach der Pleite seines Praxisunternehmens Hanserad 2012 und dem Bangen um bundesweit über 300 Arbeitsplätze wirken die beiden mutmaßlichen Helfer Auffermanns vor dem Landgericht wie harmlose Gesellen. Haben der Apotheker Dr. S. und der frühere Geschäftsführer Dr. H. mit Auffermann eine Medizin-Mafia aufgezogen, um sich zu bereichern? Nein, alle unschuldig, ließen die Anwälte verlauten. Es habe keine illegalen Geschäfte gegeben.

Auffermann erschien nicht im Gericht, ließ seinen Anwalt Michael Nagel verlautbaren: Er würde kommen, um alle Vorwürfe aufzuklären. Aber der Haftbefehl sei unverhältnismäßig und er bestehe auf einem „fairen Verfahren“. Gut fünf Monate sind S. und H. jetzt in Untersuchungshaft, das Verfahren gegen sie musste jetzt beginnen. Auffermanns Fall wird „gesondert“ behandelt. Und das ist er: ein Sonderfall der Ärztegeschichte.

Auffermanns Aufstieg vom Radiologen (Magnetresonanz- und Computertomografie) zum Unternehmer verlief bilderbuchhaft. Aus einer Praxisgemeinschaft in Hamburg kaufte er die Partner heraus, expandierte, kaufte in Norddeutschland und München Praxen zu. Auffermann untersuchte Patienten in den USA, in Russland, in Dubai. Immer im Visier: Zahlungskräftige Patienten.

Auch mit den gesetzlich Versicherten verdiente er: Auffermann ließ seine Radiologien von frühmorgens bis spätabends öffnen, untersuchte Tausende, warb bei Arztkollegen um Patienten und zahlte seinen Medizinern sehr hohe Gehälter. Hanserad wurde zu einem florierenden Unternehmen mit Untergesellschaften – und Verstrickungen, laut Staatsanwaltschaft. Der Betrug soll so funktioniert haben: Auffermann bestellte Kontrastmittel beim Apotheker S. Der kaufte sie ein und erhielt Rabatte. Die Kontrastmittel kommen zu Auffermann, der rechnet bei Kassen einen „normalen“ Preis ab. Dabei war Auffermann laut Anklage mit einer stillen Gesellschaft an den Rabattgewinnen von S. beteiligt. Der Vorwurf: Auffermann soll große Mengen abgerechnet haben, die Rabatte aber nicht an die Kassen weitergegeben haben.

Erst pleite, dann verlässt er seine Frau und seine drei Kinder

Das Vorgehen sei nicht strafbar, behauptet Auffermanns Anwalt. Und im Übrigen sei sein Klient auch privat pleite. Auffermann musste im Oktober 2013 auch Privatinsolvenz anmelden.

Nach Informationen dieser Zeitung lagerten zum Zeitpunkt der Praxenpleite Ende 2012 rund 3000 Liter Kontrastmittel bei Hanserad. Nach Schätzungen des Insolvenzverwalters hätte das ausgereicht, um Tausende Hanserad-Patienten zehn Jahre lang zu versorgen. Der Prozess wird fortgesetzt. Ohne Auffermann.