Veröffentlicht inReise

Saas Fee in der Schweiz – Eine Stadt frei von Autos

Saas Fee in der Schweiz – Eine Stadt frei von Autos

Saas Fee Alte Häuser vor Gletscher.JPG
Autofreie Zone: In Saas Fee, einem 1600-Einwohner-Ort im Schweizer Kanton Wallis, dürfen keine Autos fahren. Selbst George Michael musste laufen.

Saas Fee. 

George Michael kam bei Nacht in Saas Fee an – und musste gleich erfahren, dass es hier anders zuging als in seinem Popstarleben zu Hause in London. Als er mit der Filmcrew mit der Stretchlimousine vor dem Hotel vorfuhr, wurde ihnen mitgeteilt, dass sie den Wagen in den nächsten Tagen nicht würden nutzen können. Saas Fee, der 1600 Einwohner-Ort im Schweizer Kanton Wallis, war und ist autofrei – Transporte erledigt man hier mit kleinen, elektrisch angetriebenen Kastenwagen. Bei der Ankunft wäre George Michael dann beinahe gestürzt wegen ein paar Schneeflocken auf der Straße. „Er ist ganz schön geschlittert auf seinen glatten Sohlen“, erinnert sich Robi Anthamatten.

Er war damals 14 Jahre alt und hatte bis kurz vor 24 Uhr ausgeharrt, um die Ankunft des Popduos „Wham!“ zu erleben, das damals Welthits wie „Wake me up before you go-go“ hatte. Er packte sich den Koffer von George Michael und fuhr mit ihm im Aufzug bis in den vierten Stock. „Ich dachte, ich bekomme ein Wahnsinnstrinkgeld, aber er hat mir 50 Pence zugesteckt.“ Er lacht. Heute ist Robi Anthamatten Besitzer eines Hotels mit Bar und Club mit dem Namen „Popcorn“ – wie die Pop-Zeitschrift, die in den 80ern populär war. Soll einer sagen, Georg Michaels Besuch hätte keine Spuren in Saas Fee hinterlassen.

Kein Schnee in den Bergen von Gstaad

300 Meter entfernt liegt das Hotel Ferienart, ein Fünf-Sterne-Haus mit rustikalen Holzbalkonen. 1984 hieß es noch Walliserhof und Beat Anthamatten, Bruder von Robi, war damals Direktor. Er war verantwortlich dafür, dass das Video in Saas Fee gedreht wurde. „Eigentlich sollten die Aufnahmen in Gstaad gemacht werden, aber dort gab es keinen Schnee“, erzählt der heute 56-Jährige.

Und Schnee haben sie meistens in Saas Fee – der Ort liegt auf 1800 Metern, im Skigebiet geht es rauf bis auf 3600 Meter. Ende Oktober 1984 kam ein Mann von der Film-Crew in den Ort, um sich umzuschauen. „Das Video sollte in einem klassischen Chalet spielen, so etwas gibt es hier kaum – aber er war zufrieden“, erzählt Beat Anthamatten. Schon fünf Tage später kam der Tross nach Saas Fee – alles musste sehr schnell gehen. Denn das Video sollte ja schon wenige Woche später, zur Weihnachtszeit, fertig sein. Der Stress erklärt auch, warum der Clip mit einem Bergpanorama in dichtem Nebel beginnt – um auf besseres Wetter zu warten, war wohl schlicht keine Zeit.

Nur mal kurz raus aus der Talstation

Die nächste Szene: Zwei Geländewagen fahren (mit Sondergenehmigung der Gemeinde) bei einer Gondel vor – und es steigen zehn Personen aus den Autos und dann in die Gondel. Die Story des Clips: Ein Mann, gespielt von George Michael, hat sein Herz vergangene Weihnachten einer Frau geschenkt – doch schon am nächsten Tag hatte sie einen anderen. Der wird im Video dargestellt vom Bandkollegen Andrew Ridgeley. Im Clip hat George Michael zwischenzeitlich eine neue Freundin und zu Weihnachten treffen sich die Paare mit anderen Freunden zur gemeinsamen Feier in einem Chalet in den Alpen. Dorthin soll es mit der Gondel gehen. „Totaler Quatsch“, sagt Charly Schmidt. „Die Bergstation liegt auf 3000 Metern, dort oben gibt es keine Chalets.“ Schmidt fuhr die Gondel im Videodreh und ist auch kurz zu sehen – allerdings bewegte er sie nur wenige Meter aus der Talstation und wieder zurück, das reichte für die Bilder im Clip. Die berühmte Aussicht von der Bergstation der Felskinn-Bahn auf die blaue Abbruchkante des Fee-Gletschers, auf die 13 4000er rundherum und bis in die Berner Alpen – das alles haben George Michael und seine Crew, da ist sich Schmidt sicher, nie gesehen.

Stattdessen musste ein Chalet improvisiert werden – die Außenszenen wurden vor einem Haus am Ortsrand gedreht. Stefan Zurbriggen fuhr Crew und Ausrüstung mit einem kleinen Elektroauto vom Hotel zu den Drehorten. Der heutige Inhaber des Sportgeschäfts „A-Z Sports & Fashion“ grinst und hinter ihm im Regal stehen Glitzerboots. Das Revival der 80er Jahre ist längst wieder bis Saas Fee gekommen. Weil die Crew keinen Schlüssel für das Chalet hatte, mussten die Innenszenen in einem Haus gedreht werden, das nach dem Tod einer Baronin an die Gemeinde gefallen war. Nur hatte sie darin mit Dutzenden Dackeln und Katzen gelebt, so dass dort erst mal geputzt werden musste. Den Job übernahm Zurbriggens Ehefrau Patricia. Heute ist das Gebäude das „Gemeindezentrum Steinmatte“, der Raum ist leer geräumt, nur der offene Kamin an der Wand, aus Ziegelstein gemauert und mit Kupferblech beschlagen, ist eindeutig im Video zu erkennen. Das ist also der Ort, an dem George Michael im Video tiefe Blicke mit seiner ehemaligen Geliebten wechselt – heute ein kalter Ort.

Lieber Hip Hop und Daft Punk

Dann lieber noch mal runter ins Tal ins Popcorn. Inhaber Robi Anthamatten schmückte einst den „Wham!-Weihnachtsbaum“, der im Video zu sehen ist. Heute steht er an der Bar und erzählt lächelnd eine tragische Geschichte.

Zum Abschied hatte er sich von George Michael eine Jacke signieren lassen. „Aber als ich gemerkt hatte, wie cool das eigentlich war, war sie verschwunden“, sagt er. „Meine Mutter hatte sie in die Kleidersammlung gegeben.“

Er verabschiedet sich, um sich ums Geschäft zu kümmern – Bar und Club füllen sich. Es läuft Hip-Hop, dann Daft Punk. Nur Last Christmas wird nicht gespielt. Dabei geht die Wham-Weihnachtsgeschichte im Video gut aus: George Michael geht glücklich lächelnd mit der Frau, die seine neue Freundin darstellt, aus dem Bild. Passend zur Weihnachtszeit ein Happy-End in Saas Fee.