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Misshandlungen im „Horror-Haus von Höxter“ – Prozess beginnt

Misshandlungen im „Horror-Haus von Höxter“ – Prozess beginnt

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1492AA00D207D239.jpg Foto: dpa
Ein Mann und seine Ex-Frau sollen Frauen gequält haben. Zwei starben. Vor Gericht beginnt jetzt die Aufarbeitung der Grausamkeiten.

Paderborn/Höxter. 

Mit Kontaktanzeigen sollen sie ihre Opfer in ihr Haus nach Höxter gelockt und dort gequält haben: Wegen zweifachen Mordes durch Unterlassen und mehrfacher Körperverletzung steht in Paderborn ab Mittwoch ein geschiedenes Ehepaar vor Gericht. Dem 46 Jahre alten Wilfried W. und seiner ein Jahr älteren Ex-Frau Angelika W. wirft die Staatsanwaltschaft vor, mehrere Frauen schwer misshandelt zu haben.

Zwei Frauen starben in Folge der Quälereien, eine weitere Frau entkam. Andere Frauen sollen sie um größere Geldmengen gebracht haben. Die Staatsanwaltschaft geht im Zuge der noch laufenden Ermittlungen insgesamt von mindestens acht Opfern aus.

Angeklagten sollen Frauen an Heizkörper gekettet haben

In einem sadistischen Spiel um Macht und Unterwerfung sollen die zu Tode gekommenen Frauen an Heizkörper gekettet, geschlagen und getreten worden sein, wie ein Ermittler berichtete, als die Misshandlungsfälle im Sommer aufflogen.

Damals hatten die beiden Angeklagten die lebensgefährlich verletzte Susanne F. aus Bad Gandersheim zurück nach Niedersachsen bringen wollen. Bei einer Autopanne entschieden sie, den Notarzt zu verständigen. Die Frau starb wenige Stunden später im Krankenhaus. Aufgrund der Verletzungen der Toten nahm die Polizei die Ermittlungen auf.

Angeklagter Wilfried W. schweigt bisher

Die Angeklagte Angelika W. hatte schließlich detailliert ausgesagt und den weiteren Todesfall aus dem Jahr 2014 zugegeben. Die Leiche der 33-Jährigen Annika W. sollen sie erst eingefroren, dann zerstückelt und nach und nach im Ofen verbrannt haben. Am Straßenrand verstreute Überreste suchte die Polizei vergeblich.

Im Mittelpunkt des Prozesses stehen die beiden Todesfälle. Das Gericht wird erhellen müssen, wer der beiden Angeklagten welche Rolle spielte. Wilfried W. schweigt bislang. Sein Anwalt bestritt mehreren Medien gegenüber aber dessen direkte Beteiligung. Die Ex-Frau dagegen belastet ihn mit ihrer Aussage, sie habe auf seine Befehle hin gehandelt. Bislang geht das Gericht davon aus, dass der Prozess mindestens bis Ende März dauern wird.

Eine Chronologie der bislang bekannten Fakten:

1995: Das Amtsgericht Paderborn verurteilt den damals 25-jährigen Wilfried W. im August zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Der Grund: Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung. Wie die „Neue Westfälische“ damals berichtete, soll er seine damalige Ehefrau misshandelt und gequält haben – gemeinsam mit einer Komplizin.

1999: Der gebürtige Bochumer lernt die in Herford geborene, heute 47-jährige Beschuldigte Angelika B. kennen. Sie heiraten nach wenigen Wochen.

2011: Im Ortsteil Höxter-Bosseborn mietet das Paar einen Hof. Zuvor wohnten sie im 50 Kilometer entfernten Schlangen in Lippe.

Ende 2011 bis März 2012: Mehr als drei Monate lang soll eine heute 51-Jährige Frau aus Berlin in Höxter misshandelt und gefangen gehalten worden sein. Später wird sie von den Beschuldigten in einen Zug nach Hause gesetzt. Sie traut sich erst 2016, bei der Polizei auszusagen, als sie in Medienberichten das Haus wiedererkannt hat.

2013: Das Paar lässt sich scheiden. Über eine Zeitungsanzeige kommt die 33-jährige Annika W. aus Niedersachsen nach Bosseborn. Bereits nach kurzer Zeit heiratet sie Wilfried W., der weiterhin mit seiner Ex-Frau in dem Haus wohnt. Gemeinsam sollen sie die 33-Jährige gequält haben, wie aus den Aussagen der festgenommenen Komplizin hervorgeht.

1. August 2014: Die misshandelte Frau stirbt an ihren Verletzungen. Das Paar soll die Leiche in einer Tiefkühltruhe eingefroren, später zerstückelt und verbrannt habe. In der Folgezeit schicken die beiden immer wieder SMS-Nachrichten an die Mutter des Opfers. Die geht deshalb noch bis Ende April 2016 davon aus, dass ihre Tochter lebt.

Februar 2016: Die 41-jährige Susanne F. aus dem niedersächsischen Bad Gandersheim reagiert auf eine Zeitungsanzeige und kommt im März in das Haus. Über mehrere Wochen wird sie festgehalten und misshandelt.

21. April 2016: Mit der schwer verletzten Frau im Auto fährt das Pärchen in Richtung Bad Gandersheim. Eine Autopanne durchkreuzt den Plan. Sie entscheiden sich, einen Rettungswagen zu rufen. Das Opfer stirbt einen Tag später, die Ärzte schalten die Polizei ein.

27. April 2016: Der 46-jährige Tatverdächtige und seine Partnerin werden vorläufig festgenommen. Das Amtsgericht Höxter erlässt einen Tag später Haftbefehl wegen Totschlags.

3. Mai 2016: Polizei und Staatsanwaltschaft geben bei einer Pressekonferenz Details zu den bisher untersuchten Fällen bekannt. Die Beschuldigte hatte nach Aussage der Ermittler umfassend und glaubhaft über beide Todesfälle ausgesagt. Der 46-Jährige bestreitet bislang jede Schuld. Die Polizei sucht nach weiteren Frauen, die in der Gewalt des Paares in Bosseborn gewesen sein könnten.

11. Mai 2016: Bei der Polizei haben sich mehrere Frauen gemeldet, die durch das Paar finanziell geschädigt worden sein sollen.

13. Mai 2016: Polizei und Staatsanwaltschaft bestätigen, dass die Ermittler auf dem Grundstück über 100.000 Euro und etwas 20 Mobiltelefone gefunden haben, die sowohl Opfern als auch Tätern zuzuordnen sind.

20. Mai 2016: Leichenspürhunde suchen an einer Landstraße nach Überresten des ersten Todesopfers Anika F. aus Niedersachsen – ohne Erfolg.

26. Mai 2016: Die Polizeidirektion Göttingen überprüft Vorwürfe gegen eine Wache in Uslar in Niedersachsen. Die Beschuldigten sollen dort im Jahr 2012 mit einem Opfer vorstellig geworden sein. Diese Frau sollte vor Polizeibeamten eine Erklärung unterschreiben, dass sie freiwillig in Höxter-Bosseborn war. Die Polizisten ließen sich darauf nicht ein, auf ein Fehlverhalten gibt es keine Hinweise.

13. Juni 2016: In zwei weiteren Fällen gibt es Vorwürfe wegen unterlassener Hilfeleistung durch die Polizei. Zweimal sind Streifenbeamte 2014 in Höxter und Bad Salzuflen zufällig auf die Angeklagten und die später getötete Annika W. getroffen. Die Beamten unterhielten sich mit der Frau, schritten aber nicht ein. Laut Untersuchungsergebnis hatte Annika W. sie nicht um Hilfe gebeten.

7. Juli 2016: Die Spurensuche im Todes-Haus von Höxter ist abgeschlossen. Ein DNA-Abgleich bestätigt, dass sich beide Todesopfer in dem Gebäude aufgehalten haben.

21. September 2016: Die Staatsanwaltschaft Paderborn erhebt gegen Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika W. Anklage wegen Mordes durch Unterlassen.

26. Oktober 2016: Beginn des Mordprozesses gegen Wilfried W. und Angelika W. (dpa)