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Marionetten im goldenen Käfig

Marionetten im goldenen Käfig

An Rhein und Ruhr. 

Anfang der neunziger Jahre waren die beiden Sänger Robert Pilatus und Fabrice Morvan in den weltweiten Charts ständig ganz oben dabei. Unter ihrem Namen „Milli Vanilli“ gelten sie in den USA bis heute als die erfolgreichste Band aus Deutschland. Ihren Aufstieg und ihren Fall schildert heute der Arte-Film „Milli Vanilli: From Fame to Shame“.

Einer der Höhepunkte ihrer Karriere war die Grammy-Verleihung am 1990 in Los Angeles. Dort wurden sie für ihr zweites Album „Girl you know ist’s true“ als „Best New Artist“ ausgezeichnet. Der Preis wurde ihnen am Ende jenen Jahres aber wieder aberkannt. Im November 1990 wurde bekannt, dass die beiden überhaupt nicht singen konnten, sondern lediglich synchron die Lippen zum Gesang von richtigen Sängern wie Brad Howell (oder auch von Frank Farian) bewegten. Ein Skandal.

Einsam und frustrierend

Das Leben auf der Bühne (zunächst als Band namens Empire Bizarre) beschreiben die beiden Sänger im Film als aufregend und glamourös – das Leben im Hotel vor und nach den Konzerten jedoch als einsam und frustrierend. Fünf Wochen vor seinem Tod (am 2. April 1998) gibt Robert Pilatus in einem Frankfurter Hotel sein letztes Interview, das auf Tonband festgehalten ist und in dem er von seinen Eltern erzählt, unterlegt von Videoaufnahmen mit ihm auf dem Dreirad.

Seine Stiefschwester Carmen Pilatus erzählt im Film: „Der einzige Schwarze, den wir kannten, war Roberto Blanco. Ansonsten hat es für uns keine Schwarzen gegeben. Robert wurde in der Schule zwar oft verprügelt, er war aber schon früh ziemlich eitel und hat sich immer elegant und Sachen angezogen.“ Seine Jugendfreunde Walter Oberreit und Georg „Giorgio“ Seybold berichten, wie sie ihren Freund Robert wahrgenommen haben – als extrem sportlichen und tanzbegeisterten Mann, der sehr auf sich acht gegeben hat und eine fast schon exotische Erscheinung gewesen sein muss.

Fabrice Morvan (50) ist heute nahezu vergessen und erzählt vor der Kamera: „Als wir uns in einer Tanzschule das erste Mal begegnet sind, haben wir uns nicht einmal gegrüßt. Da war ein Konkurrenzdenken zwischen uns. Jeder von uns dachte wohl insgeheim: Für wen hält der sich eigentlich – für einen Star?!“ Dann sind sie zusammengezogen und merkten bald, dass sie zu zweit für einiges Aufsehen sorgten und dass sie in jedem Fall zusammen Musik machen wollten. Über die Frisuren und den Look schufen sie sich ihr Image, der einprägsame Name war auch schnell gefunden.

Frank Farian hatte mit der Gruppe Boney M. riesige Erfolge und Preise eingeheimst (wo er auch schon gesanglich mitmischte) und wurde dann in einem Frankfurter Nachtclub auf Pilatus und Morvan aufmerksam – bald tat sich eine neue Goldgrube auf. Der sorgfältig recherchierte und unterhaltsame Film zeigt vor allem die Schattenseiten des Showgeschäftes, samt einem Leben als vorgeführte Marionetten im goldenen Käfig.

Arte, 22.00 Uhr