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Fünflinge im Haus – „Irgendwas ist immer“

Fünflinge im Haus – „Irgendwas ist immer“

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5 auf einen Streich. Die Familie Touma aus Gronau in Westfalen hat seit einem Jahr Fünflinge zu Hause. Die Eltern Makarios und Hannan haben alle Hände voll zu tun. Mit dabei auch noch der große Bruder Michael. Die fünf Mädchen heißen Maria, Melissia, Foto: Ralf Rottmann/FUNKE Foto Services
Eigentlich wollten sie nur ein Geschwisterchen für ihren Sohn Michael. Bekommen haben Makarios und Fedah Touma allerdings sogar Fünflinge.

Gronau. 

Kaum hat die Wohnungstür sich geöffnet und den Blick frei gegeben auf den langen Flur, kommen sie auch schon angerobbt. Rosa Pullover zu weißen Strumpfhosen tragen sie und ein Lächeln im Gesicht, dass man dahinschmilzt. Herzlich willkommen bei Maria, Melissia, Justina, Josefina und Evelyn. Herzlich willkommen bei den Fünflingen von Gronau, die ebenso süß wie anstrengend sind – weil es nun einmal gleich fünf sind.

Natürlich wollen Makarios und Fedah Touma Kinder haben. „Zwei Jungen und zwei Mädchen“, hat sich Fedah Touma immer gewünscht. Michael kommt 2010 zur Welt. Fehlen noch drei. Deshalb ist die Familie auch glücklich, als ein Frauenarzt im Frühjahr 2013 eine neue Schwangerschaft bestätigt. „Da war aber noch von Zwillingen die Rede“, erinnert sich der gebürtige Syrer. Beim nächsten Termin sprechen die Ärzte bereits von vier Kindern, kurz darauf von fünf. Da wird es den Toumas dann doch ein wenig mulmig. „Wir hatten Angst, bei der nächsten Untersuchung sind es auf einmal sechs.“

Alles ändert sich

Am Ende bleibt es bei fünf Babys. Am 12. November 2013 werden sie geboren. Das Fernsehen kommt, die Klinik spendiert die Windeln für die ersten zwölf Monate, fremde Leute spenden Strampler und eine größere Wohnung bekommt die Familie auch. Aber schon damals ahnt der 32-Jährige Vater: „Es wird sich einiges ändern in unserem Leben.“

Nicht einiges. Alles.

„Wir haben viele gute Ratschläge mit auf den Weg bekommen“, erinnert sich die Mutter. „Aber was Fünflinge wirklich bedeuten, darauf kann dich keiner vorbereiten.“ Die eine weint, die anderen lachen. Manchmal ist es auch umgekehrt. Wickeln, füttern. Füttern, wickeln. Immer gleich fünf Mal.

Kurz nach Mittag ist es und im Wohnzimmer der Toumas herrscht Hochbetrieb. Evelyn zieht sich gerade am Tisch hoch, grabscht nach einer Fernbedienung, Justina und Josefina kugeln sich über den Teppich, Melissia macht Konfetti aus einem Kassenzettel und Maria krabbelt still und leise Richtung Küche bis ihre Mutter sie einfängt, kurz an ihrer Windel schnuppert und das Gesicht verzieht. Geruchsalarm, Stufe rot. „Irgendwas, sagt Fedah Touma, „ist immer.“ Für den Bruder der Fünflinge bleibt da oft zu wenig Zeit. „Der Junge kommt zu kurz“, wissen seine Eltern.

Jeder Ausflug wird zum Abenteuer

Sie selbst auch. Abende mit Freunden sind jedenfalls schwieriger geworden. „Mit sechs Kindern bist nicht bei jedem willkommen“, hat die Familie festgestellt. Aber auch sie selbst bekommen kaum noch Besuch. „Man hat ja nie Zeit, in Ruhe zu essen oder sich zu unterhalten.“

Selbst ein kleiner Einkaufsbummel wird zum Abenteuer. Gerade jetzt im Winter. Bis das letzte Kind wetterfest angezogen ist, ist das erste schon wieder durchgeschwitzt. Mit einem Zwillings- und einem Drillingswagen sind sie unterwegs aber Papa und drei Kinder stehen nur vor dem Laden. „Viele Geschäfte sind für so einen Kinderwagen nicht ausgelegt“, hat Touma festgestellt.

Sie lieben ihre Kinder und sind „dankbar für die wunderbaren Augenblicke, die sie uns schon geschenkt haben. „Aber“, sagt Makarios, „wir sind auch am Ende unserer Kräfte.“ Die Verwandtschaft ist entweder noch in Syrien oder über ganz Deutschland verteilt. Nur Fedahs Eltern wohnen in den Nähe. Aber zu denen ist das Verhältnis abgekühlt. „Wir brauchen Hilfe“, sagt Makarios Touma.

Wenn die letzten schlafen, wachen die ersten wieder auf

Anfangs hat das Jugendamt geholfen, ist ein Pflegedienst vorbeigekommen. „Mittlerweile kommt keiner mehr“, sagt Makarios. Er fühlt sich im Stich gelassen, das Jugendamt dagegen sagt auf Anfrage dieser Zeitung, die angebotene Unterstützung sei irgendwann abgelehnt worden. Vielleicht räumt Touma mittlerweile ein, habe man „irgendwie aneinander vorbei geredet“. Das soll nun anders werden. Ab Januar bietet das Amt an, die Kinder bei zwei Tagesmüttern unterzubringen, im Frühling könnte eine Betreuung für alle fünf zu den Toumas nach Hause kommen. Dann will der Familienvater versuchen, Arbeit zu finden, während seine Frau darauf hofft, „einfach wieder etwas normaler zu leben“.

Durch den langen Flur geht es wieder nach draußen. Kurzer Blick in die Kinderzimmer. Zwei Mädchen fallen gerade erst die kleinen Augen zu, zwei schlummern tief und fest aber Nummer fünf ist schon wieder wach und quengelig. Fedah eilt zum Bettchen, nimmt sie heraus, streichelt ihr übers Köpchen.. Markarios lächelt – müde und erschöpft zugleich. „Wie gesagt, irgendwas ist immer.“