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Obama will Schulabbrecher-Quoten bei Ureinwohnern senken

Obama will Schulabbrecher-Quoten bei Ureinwohnern senken

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Foto: Stephan Gladieu, Getty
Alkoholismus, Drogensucht, Fettleibigkeit, Armut und Gewalt – die Nachfahren der Ureinwohner sind vom Fortschritt abgehängt. Im Beisein von Gattin Michelle hat Obama darum Freitag ein Programm vorgelegt, um die „horrenden Schulabbrecher-Quoten“ zu bekämpfen.

Washington/Cannon Ball. 

Milton „Brown Otter“, Robert „Taken Alive“ und Cody „Tow Bears“ tragen stolz und erhaben ihren feinsten Kopfputz, als „der große schwarze Vater“ aus Washington die letzten Meilen per Hubschrauber einschwebt und seinen Fuß auf geheiligten Boden setzt. Drei von gut 1000 Mitgliedern des Volkes der Standing Rock Sioux, die in Cannon Ball in den endlosen Weiten North Dakotas das Vermächtnis einer Legende hochhalten: Sitting Bull, der Häuptling, der die Sioux 1876 zum Pyrrhussieg über das 7. Kavallerieregiment General Custers am Little Bighorn führte, wurde hier 1890 von missgünstigen Weißen umgebracht.

Die erste Amts-Visite bei den Nachfahren der Ureinwohner führte Präsident Barack Obama am Freitag auf geradem Weg in die Dritte Welt inmitten der Vereinigten Staaten. Es mangelt an fließendem Wasser, Strom und Kläranlagen. Viele Hütten und Wohnwagen sind heruntergekommen. Alkoholismus, Drogensucht, Fettleibigkeit, Kindersterblichkeit, Armut, Zuckerkrankheit, Gewalt und eine viel zu kurze Lebenserwartung bestimmen das gesellschaftliche Panorama in dem, was Bewohner wie Curtis Brave Bull das „Getto in der Prärie“ nennen.

Die Arbeitslosen-Quote liegt in Standing Rock zwischen 63 und 86 Prozent, je nach untersuchender Behörde. 40 Prozent der knapp 45.000 „native americans“ in North Dakota sind Jugendliche. Hier wirkt sich die Perspektivlosigkeit besonders fatal aus: die Selbstmordraten sind zehn Mal höher als in der Durchschnittsbevölkerung. „Wir sind uns selbst der größte Feind“, schrieb dazu unlängst ein Leser der „Lakota Country Times“.

Der Präsident ist gut angesehen

„Trotzdem hat dieser Präsident ein großes Ohr für uns“, sagt Ron „His Horse is Thunder“. Der frühere Stammes-Vorstand von Standing Rock berichtet, „dass seit Richard Nixon niemand so viel für die Nachfahren der Ureinwohner Amerikas geleistet hat wie Obama“. So wurden zähe Gerichtsstreitigkeiten beigelegt, die den Stämmen Reparationszahlungen von insgesamt 3,4 Milliarden Dollar sichern.

Auch die Grauzone bei der Strafverfolgung wurde gelichtet. Ein Beispiel: Fast 90 Prozent der Gewalttaten gegen Frauen in Reservaten, Nr. 1: Vergewaltigung, werden nicht von Indianern verübt. Nicht lange her, da konnten diese Verbrechen meist amerikanischer Staatsbürger von den über 300 Spezial-Gerichten in den Indianer-Gebieten nicht geahndet werden. Obama hat das 2013 gegen den Willen der Republikaner durch eine Erweiterung des „Gewalt gegen Frauen“-Gesetzes geändert.

Beim schwierigsten Thema – Jobs! – ist der Erfolg des Präsidenten dagegen bescheiden. Die Grundlage, eine gut ausgebildete, motivierte Arbeitnehmerschaft, ist nicht über Nacht zu schaffen. Die staatliche Bildungsbehörde für Indianer, verantwortlich für 50.000 Schüler und Studenten in 183 Schulen in 23 Bundesstaaten, bekam zuletzt vom Kongress schlechte Noten.

Im Beisein von Gattin Michelle hat Obama darum ein Programm vorgelegt, um die „horrenden Schulabbrecher-Quoten“ zu bekämpfen und jungen „native americans“ den Zugang zu Wohlstand und Eigenständigkeit zu ebnen. Arbeit wäre jedenfalls in den Boom-Regionen North Dakotas um das Öl- und-Gas-Goldrausch-Nest Williston genug da. So unterhält das Volk der „Mandan, Hidatsa & Arikara Nation“ im nahe gelegenen Fort Berthold-Reservat 1200 Fracking-Fördertürme und holt jeden Tag 300.000 Fässer Öl aus dem Boden.

Das letzte große Blutbad

Vor dem Pow Wow, der traditionellen indianischen Zusammenkunft mit Gesang, Gebet und Tänzen, erinnerte Obama an die spirituelle Kraft der Gegend. Die Dakotas, Nord und Süd, gelten als die Herzkammern von „Indian Country“. Wenige Autostunden entfernt liegt das von Vorvorgänger Bill Clinton 1999 besuchte Pine Ridge. Dort ereignete sich vor fast 125 Jahren das letzte große Blutbad bei der einst von Abraham Lincoln ermöglichten Eroberung des Mittleren Westens. Am Ende lagen 146 Lakota-Indianer tot im Schnee von „Wounded Knee“. Die Narben dieses Massakers sind bis heute nicht verheilt. Obama sagte, dass „die Geschichte Amerikas und der Stammesnationen voller gebrochener Versprechen ist“. Schadensbegrenzung und Wiedergutmachung sei darum sein wichtigstes Anliegen.