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Leiharbeiter helfen in Kitas aus – Pädagogen sind alarmiert

Leiharbeiter helfen in Kitas aus – Pädagogen sind alarmiert

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Foto: WR
Kitas und andere soziale Einrichtungen beschäftigen immer häufiger auch Leiharbeiter. Das zeigen neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Sie verdienen zum Teil deutlich weniger als der Tarif im öffentlichen Dienst. Gewerkschafter und Pädagogen sind alarmiert.

Dortmund/Essen. 

Um Personalengpässe zu decken, greifen Kitas und andere soziale Einrichtungen zunehmend auf Zeitarbeitsfirmen zurück. Laut Bundesagentur für Arbeit stieg die Zahl der pädagogischen Fachkräfte bei Leiharbeitsfirmen zwischen 2009 und 2011 um 30 Prozent. In NRW wuchs die Zahl dieser Beschäftigten von 1131 auf 1601. Ihr Gehalt liegt zum Teil erheblich unter den Tariflöhnen des öffentlichen Dienstes.

Michael von Arnim-Ahring von der Firma „Diwa Personalservice“ rechnet damit, dass der Bedarf an kurzfristig einsetzbarem Personal steigt: „Die Träger haben zu knapp kalkuliert. Spätestens nach den Ferien beginnt der Eiertanz.“ Dann bräuchten die Kitas Fachkräfte für Schwangerschafts-, Urlaubs- und Krankheitsvertretungen. Schon jetzt setzt „Diwa“ an Rhein und Ruhr 100 Mitarbeiter in Kitas und im offenen Ganztagsbereich ein.

Gewerkschafter und Pädagogen sind alarmiert

Leiharbeit im Kindergarten – für Gewerkschafter und für ­Pädagogen ist dies eine gruselige Vorstellung. Kinder, so sagen sie, brauchen feste Bindungen und keine Erzieherinnen, die kommen und gehen. Fest steht aber: Der Markt für Zeitarbeiter in den sozialen Berufen wird größer. In vielen Kitas, in Krankenhäusern und Pflegeheimen ist die Personaldecke dünn. Und die Zeitarbeitsbranche macht den Arbeitgebern attraktive Angebote.

Warum sind soziale Berufe für ­Zeitarbeitsfirmen interessant?

Weil viele Träger solcher Einrich­tungen nur so viele Mitarbeiter einstellen wie unbedingt nötig. Das geht gut, so lange niemand krank ist. „Aber die Krankenstände in Kitas liegen ­zwischen sieben und zwölf Prozent“, sagt Jan von Hagen von der Gewerkschaft Verdi. Gefragt sind also Erzie­herinnen, die kurzfristig die Lücke stopfen. Beispiel Hagen: Als in der Kita „Haus Zoar“ kurzfristig zwei Erzieherinnen kündigten, stellte man zur Überbrückung Zeitarbeits-Fachkräfte ein. „Das ist keine Lösung auf Dauer“, so der Sprecher der Diakonie Mark-Ruhr, Fabian Tigges. „Aber die Zeitarbeitsfirma hat uns aus der Patsche geholfen.“

Erzieherinnen sind gefragt, und das wird auch so bleiben 

Wer tummelt sich in dem Geschäft?

„Etwa ein halbes Dutzend Anbieter, die sich darauf spezialisiert haben. Noch ist es eine Nische“, erklärt Wolfram Linke vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ). Zu diesen Spezialisten gehört die ­Firma Diwa Personalservice, die bundesweit Büros hat. Diwa sucht auch in NRW Geschäftspartner.

Sind Erzieherinnen auf solche Arbeitsplätze angewiesen?

Nein, sie haben auch so gute Chancen auf einen Arbeitsplatz. Erzieherinnen sind gefragt, und das wird auch so bleiben. „Eine gute Erzieherin kann sich eigentlich ihren Arbeitsplatz aus­suchen“, erklärt Peter Wenzel vom Kita-Zweckverband im Bistum Essen. Dennoch hat gerade ein Zeitarbeitsunternehmen beim Zweckverband angeklopft und will ein Angebot vorlegen.

Warum unterschreiben ausgebildete Erzieherinnen Zeitarbeitsverträge?

Zeitarbeitsfirmen locken mit unbefristeten Verträgen und der Chance auf Übernahme. „Wir vermitteln 50 Prozent unserer Mitarbeiter in Festan­stellungen weiter“, so Michael von ­Arnim-Ahring von der Firma Diwa. ­Darüber hinaus könnten Angestellte gleich mehrere Arbeitgeber kennen ­lernen – und damit viele pädagogische Konzepte. Von Arnim-Ahring beteuert, dass seine Firma nur für Zeiträume ab sechs Wochen vermittelt. „Alles was darunter liege, könne nicht im Sinne von Kindern und Eltern sein.

Monatsgehalt von 1900 Euro brutto – Stundenlohn: 11 Euro 

Was sagen Pädagogen?

„Leiharbeit ist pädagogisches Roulette“, sagt Peter Wenzel. In Kinder­gärten gehe es um Erziehung, Bindung, Kontinuität. „Die Kinder müssen sich an eine Bezugsperson gewöhnen. Das geht nicht, wenn diese Person nach kurzer Zeit schon wieder weg ist.“

Wie viel verdienen Erzieherinnen in Zeitarbeit?

Laut der Firma Diwa kommt eine ­Erzieherin auf ein Monatsgehalt von 1900 Euro brutto (Stundenlohn: 11 Euro). Wird eine Mitarbeiterin gerade nicht eingesetzt bekommt sie immer noch den Tarifmindestlohn von 9,97 Euro. Zum Vergleich: Im öffentlichen Dienst in NRW können Erzieherinnen laut Verdi mit einem Einstiegsgehalt von 2370 Euro brutto rechnen.

Sind Meldungen, wonach einige Erzieherinnen in Zeitarbeit in Sachsen nur 1000 Euro brutto verdienen, realistisch?

Nein. Die Gewerkschaften sagen, dass es sich da nur um Teilzeitkräfte handeln kann. Allerdings wird im Osten weniger gezahlt. Und der Arbeitsmarkt in Sachsen ist für Erzieherinnen längst nicht so günstig. „Es gibt noch mehr ­befristete und Teilzeit-Verträge als in NRW“, sagt Jürgen Reichert von Verdi.