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Wie es zum Aus für das Opel-Werk in Bochum kam

Wie es zum Aus für das Opel-Werk in Bochum kam

Am Mittwoch wird der Opel-Aufsichtsrat voraussichtlich die endgültige Stilllegung der Autoproduktion im Ruhrgebietswerk beschließen. Wir beleuchten, wie es dazu kommen konnte und welche Rolle die einzelnen Beteiligten in dieser Tragödie spielen.

Bochum. 

Jeder Tragödie wohnt eine brutale Logik inne: Die Gegenspieler tun, was sie tun müssen, doch genau das führt unweigerlich in die Katastrophe. Der Held wird zum Opfer von Mächten, die nicht anders können als ihn zu zerreiben. Die Bochumer Opelaner sind in eine Mühle geraten, die gleich drei Mächte antreiben: das Management, die IG Metall und der Betriebsrat – mit der Politik in der Zuschauerrolle. Mittwoch wird der Opel-Aufsichtsrat voraussichtlich das Schicksal von 3700 Beschäftigten in Bochum besiegeln. Dass es soweit kommen musste, ist das Ergebnis eines unlösbaren Konfliktes. Fehlt nur noch der Schlussakt. Warum wer wie handeln musste:

Die Belegschaft

Wer heute im Werk arbeitet, ist kampferprobt und hat in der Regel schon viele Jahre der Ungewissheit hinter sich. Wie in den Sparrunden zuvor ist die Belegschaft ihrem Betriebsrat, der sich schon oft Schließungsplänen gegenüber sah, gefolgt. Deshalb lehnte sie auch den Sanierungstarifvertrag ab – und erteilte damit ihrer eigenen Gewerkschaft eine Abfuhr. Das ist ein seltener und für die IG Metall bitterer Vorgang. Aber damit zu erklären, dass die Leute wie ihr Betriebsratschef Rainer Einenkel den Zusagen der Opel-Spitze, Ersatzstellen und eine Transfergesellschaft bis 2018 zu organisieren, einfach nicht glaubten. Damit wurde der Vertrag für sie wertlos, Einenkel bestärkte sie in dieser Meinung.

Gleichzeitig setzten sie Hoffnungen in die Poker-Qualitäten von Einenkel, in Nachverhandlungen mehr rauszuholen. Sie hatten aus den vergangenen Jahren genügend Gründe, dies zu tun. Dass sie die Schließung ihres Werks damit wahrscheinlich beschleunigt haben, war ihnen nicht bewusst oder sie wollten, wie es einer vor der Abstimmung sagte, „mit Stolz“ untergehen. Dieser Stolz verbot ihnen, das Ende der Autoproduktion auch noch selbst abzusegnen.

Die Gewerkschaft

Wenn am Mittwoch auch IG-Metall-Vertreter im Aufsichtsrat das Aus für Bochum besiegeln, schneiden sie tief ins eigene Fleisch. Die Gewerkschaft hat die Interessenkonflikte zwischen den Opel-Standorten nicht schadlos überstanden. Am Ende standen alle gegen Bochum, schließlich soll es für alle anderen Werke auch weitergehen. Die Zentrale in Frankfurt entschied sich für die Perspektiven der anderen und stimmte dem Sanierungsvertrag ohne Bochum zu. Dies in der Überzeugung, für das Ruhrgebiets-Werk das Maximum herausgeholt zu haben – nämlich Zeit bis 2018.

Während die IG Metall in NRW für ihren Vertrag warb, aber einräumte, nicht alles erreicht zu haben, schlug den Bochumern aus den anderen Standorten blankes Unverständnis entgegen. Einenkel bei den Verhandlungen außen vor zu lassen, mag letztlich zielführend für die übrigen Werke gewesen sein. Doch das „Nein“ der Bochumer wurde damit provoziert. Am Ende gehört auch die Gewerkschaft zu den Verlierern.

Das Management

Um die horrenden Verluste in Europa zu stoppen, hat die Opel-Mutter General Motors entschieden, eines der unausgelasteten Werke zu schließen. Es trifft Bochum, wo schon heute etwa im Komponentenwerk nur noch 40 000 von 500 000 Quadratmetern Fläche genutzt werden. Die Amerikaner wollen mit ihrer deutschen Tochter irgendwann auch wieder Geld verdienen.

Das Nein der Bochumer zum widerwillig mit der IG Metall ausgehandelten Sanierungsplan beschert den GM-Managern beste Argumente. Obwohl sie das Werk schon lange schließen wollten, können sie nun zumindest eine Teilschuld für das vorzeitige Aus auf die Beschäftigten abwälzen. Ob sie die schwammigen Zusagen für Ersatzarbeitsplätze und Transfergesellschaft gebrochen hätten, wird nicht nachzuweisen sein.

Das Ende der Produktion 2014 kommt den Amerikanern zupass. In Kreisen des Konzerns wird vehement bestritten, GM stehe „die teuerste Werksschließung aller Zeiten“ bevor, wie es Einenkel sagt. Insider gehen davon aus, dass der Sozialplan GM nun 300 bis 400 Millionen Euro kosten wird. Damit würde der Konzern gegenüber dem Sanierungsvertrag bis zu 500 Millionen sparen.

Die Landesregierung

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) verhält sich zurückhaltend. Während ihr Vorgänger Jürgen Rüttgers (CDU) noch nach Detroit zur GM-Führung reiste, war Kraft nicht einmal mit dabei, als die Konzernführung in Deutschland Gespräche mit der Politik führte. Die Einflussmöglichkeiten einer Landesregierung sind begrenzt, letztlich entscheidet das Management über die Standorte. Kraft hat sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr ausführlich zu Opel geäußert, sie überlässt dies ihrem Wirtschaftsminister Garrelt Duin. Er hat sich zwar als Moderator angeboten. Diese Rolle dürfte sich nun aber auf die Entwicklungsgesellschaft für eine verwaiste Industriefläche beschränken.

Der letzte Akt

Am Mittwoch wird der Schließungsbeschluss vom Opel-Aufsichtsrat erwartet. Möglich, dass dann die Emotionen hochkochen. Wendet sich die Stimmung unter den Beschäftigten gegen den Betriebsrat, weil er womöglich falsche Hoffnungen geweckt hat? Oder gegen Opel in Form wilder Streiks?

Das Warenlager in Bochum könnte erhalten bleiben, einige aus der Produktion in ein anderes Werk wechseln. Bei der letzten Streichrunde haben das ein paar Dutzend Bochumer getan. Für den Rest geht es vor allem um die Höhe der Abfindungen. Bei Werksschließungen wie der im belgischen Genk hat GM recht ordentliche Abfindungen gezahlt, um nicht noch mehr verbrannte Erde zu hinterlassen als ohnehin schon. Die Manager werden daran interessiert sein, den Vorhang möglichst leise fallen zu lassen. Dagegen spricht der Stolz der Bochumer. Massenentlassungen, sagt Einenkel, würden nicht geräuschlos ablaufen.