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Im NRW-Nahverkehr bahnt sich eine Fusion an

Im NRW-Nahverkehr bahnt sich eine Fusion an

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Foto: Dietmar Wäsche / WAZ Fotopool
Der Ennepe-Ruhr-Kreis sucht einen neuen Betreiber für Bus und Bahn und schielt dabei zur Bogestra nach Bochum. Damit könnte die erste echte Fusion von Nahverkehrsunternehmen entstehen.

Essen. 

Gibt es erstmals seit Langem eine echte Fusion im Nahverkehr der Region? Das zumindest wird ausdrücklich nicht mehr ausgeschlossen bei den derzeit laufenden Gesprächen zwischen der Bochum-Gelsenkirchener-Straßenbahn AG (Bogestra) und die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr (VER). In den kommenden Monaten wollen die beiden kommunalen Betriebe Chancen und Risiken einer engeren Verzahnung ausloten. Am Ende der Gespräche könnte dann das in der Branche bislang Undenkbare stehen: ein Einstieg der Bogestra bei der VER als strategischer Partner oder die Übernahme der kleineren VER durch den deutlich größeren Nachbarn im Norden. Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung fallen.

VereinigungDen Prozess angestoßen hatten Kreis-Politik und -Verwaltung in Schwelm. Für 2019 muss der EN-Kreis das Nahverkehrsangebot für seine rund 320.000 Einwohner neu regeln. Um Vergabefristen einhalten zu können, müssen Entscheidungen jedoch noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden. Weil man im Kreistag eine Vergabe an private Anbieter bereits ausgeschlossen hat, die Finanzierung des örtlichen Nahverkehrs aber mehr und mehr an seine Grenzen stößt, wurde nach einem leistungsstarken Partner Ausschau gehalten.

Entscheidung in diesem Jahr

Der nördliche Gebietsnachbar empfiehlt sich aus EN-Sicht dafür aus naheliegenden Gründen: Die mehrheitlich der Stadt Bochum gehörende Bogestra steuert schon jetzt über 30 Prozent des Nahverkehrs im Kreis. Busse und Bahnen der Bogestra fahren dabei hauptsächlich in den beiden größten kreisabhängigen Städten Witten und Hattingen. In Witten unterhalten die Bochum-Gelsenkirchener außerdem einen eigenen Betriebshof. „Wir sind mit der bisherigen Zusammenarbeit äußerst zufrieden“, sagte Uwe Tietz, der für die Kreisentwicklung zuständige Bereichsleiter in Schwelm, dieser Zeitung. Von einem engeren Zusammengehen mit der Bogestra erhoffe sich der Kreis nicht nur Synergieeffekte, sondern wolle den Nahverkehr auch qualitativ verbessern.

Bogestra ist besser aufgestellt

Die größere Bogestra sei personell und technisch einfach besser aufgestellt, sagte Tietz. Neuerung etwa bei Auskunftssystemen oder im Mobilitätsmanagement ließen sich mit Hilfe der Bogestra besser verwirklichen. Tietz betonte jedoch, dass der Ausgang der Gespräche offen sei: „Sollte es keine Einigung geben, kann es auch beim Status Quo bleiben.“ Ein Papier der Kreisverwaltung, dass dieser Zeitung vorliegt, empfiehlt als „Handlungsoption“ allerdings ausdrücklich die Einbindung der Bogestra als strategischen Partner oder die volle Übernahme des EN-Nahverkehrs durch die Bochumer. Auch seitens der Bogestra werde das Ansinnen aus Schwelm derzeit „wohlwollend geprüft“, sagte ein Unternehmenssprecher dieser Zeitung.

Eine Fusion mit der VER würde die Bogestra deutlich gegenüber den anderen großen ÖPNV-Betrieben im Ruhrgebiet stärken. Schon jetzt haben die Bochumer mit rund 145 Millionen Fahrgästen im Jahr gegenüber den Dortmunder Stadtwerken und der Essener Evag die Nase vorn. Nach einer Übernahme der VER kämen noch einmal rund 16 Millionen Fahrten hinzu. Das von Bogestra-Linien abgedeckte Gebiet würde von Gelsenkirchen bis an die Grenze zum Sauerland reichen. In der Branche beobachtet man die transkommunalen Gespräche mit Interesse. Dass ernsthaft die Fusion zweier Verkehrsbetriebe ins Auge gefasst werde, zeige, unter welchem wirtschaftlichen Druck die Betriebe stünden, sagte ein ÖPNV-Kenner dieser Zeitung.