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Viel mehr als eine Diva

Viel mehr als eine Diva

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Christiane Hörbiger erhält am Samstag den „Steiger-Award“ für ihr Lebenswerk. Der Ruhrgebiets-Preis wird in der Bochumer Jahrhunderthalle verliehen. Christiane Hörbiger wurde dem Fernsehpublikum durch „Das Erbe der Guldenburgs“ bekannt. Doch lieber spielt sie Figuren, deren Leben auseinanderflog.

Essen. 

Christiane Hörbiger ist pünktlich. Um genau zehn Uhr morgens ruft sie an. „Wo stecken Sie gerade, Frau Hörbiger?“ „In Wien, ganz normal in meiner Wohnung.“ Erstaunlich, Frau Hörbiger spricht über Telefon-Preise. „Früher, was hat das gekostet! So ein Ferngespräch war ja unbezahlbar.“

Christiane Hörbiger (73) erzählt, wie sehr sie es genießt, zu Hause zu sein. Auf ihrer Couch. Und sie liest und liest und liest. „Meist lese ich zwei, drei Bücher parallel. Zur Zeit lese ich“, eine kleine Pause. (Beruhigend – auch ihr fällt nicht sofort alles ein). „Jetzt habe ich es. Ja, ich lese gerade die Biografie von Diane Keaton. Aber auch noch etwas von Marlene Dietrich.“

Sie erzählt nicht von Glanz, Gloria und Küsschen hier und da bei den Schickimickis dieser Schauspieler-Welt. Ihr Leben hat sie anders geprägt. Sie, die Tochter der Legenden Attila Hörbiger und Paula Wessely, musste kämpfen, um ein eigenes Profil zu entwickeln. „Na ja, meine Eltern sind ja heute kaum noch einem bekannt, aber damals.“ Damals rang sie um ihre schauspielerische, aber auch um ihre Rolle als Mutter.

Über Jahre war sie Witwe und damit alleinerziehend. „Ich kann bis heute alle Frauen verstehen, die über die enorme Belastung klagen. Diese Hetze, dieser Zeitaufwand, um Geld zu verdienen, ich habe größtes Verständnis für diese Frauen.“

Sie zog ihren Sohn Sascha Bigler, der 1968 geboren wurde, nahezu ohne männliche Hilfe groß. Heute ist er Filmemacher, gemeinsam haben sie ,Meine Schwester’ gedreht. Sie liebt Filme und würde, um in einem Film bei Spielberg mitzumachen, „sogar zu Fuß nach Amerika laufen“. Frau Hörbiger hat dieses mädchenhafte Begeistertsein, was nicht heißt, dass sie der Welt des schönen Scheins verfallen ist. Sie mag Menschen, die hart arbeiten müssen, um ihr Leben zu meistern. Das passt zum Steiger-Award, auch wenn sie persönlich „leider“ keine Bergleute kennt – aber das Ruhrgebiet.

Mal ist sie Gräfin, mal eine Alkoholikerin

„Ich war in Essen, Bochum, auch in Dortmund auf Theatertournee. Damals, in den siebziger Jahren“, sagt sie. Und sie war überrascht. Vom Grün. „Und natürlich von der Kunst. Das, was im Ruhrgebiet in die Kunst investiert wird, ist enorm. Die Ruhrfestspiele, das ist ein ganz tolles Bespiel der Kulturförderung“ – die Hörbiger kann so herzlich schwärmend abheben und sofort wieder auf dem Boden landen. „Ich war ja damals meist gar nicht in den großen Schauspielhäusern unterwegs. Viel häufiger in Mehrzweckhallen. Und da habe ich den Kontakt zu meinem späteren Fernsehpublikum geknüpft.“

Tief berührt hätten sie die Leute hier. „Damals war es wirklich so, dass das Geld ja gezählt war. Ich erinnere mich noch, wie diese Menschen ein Fünfmarkstück auf den Tisch legten, für eine Tasse Kaffee und ein Stückchen Kuchen vorher. Das waren ja nicht die Leute, die Geld für ein Opern-Abo ausgaben.“

Christiane Hörbiger, die immer so gut frisiert ist, die immer so viel Etikette zeigt, wird manchmal in die Ecke der Diva gedrängt. Dabei spielt sie am liebsten Menschen, deren Leben auseinanderflog. Abseits von Klischees, ganz dicht am Kern. Sie spielt eben nicht nur Gräfinnen („Die Guldenburgs“), sie spielt eine Alkoholikerin, so überzeugend, weil sie die ganz tiefen, aber auch die ganz feinen Abgründe erspüren kann.

Bald wird sie eine Demenzkranke sein. Sie wird zur Vorbereitung auf die Rolle Ärzte besuchen, Betroffene – und wird sich mit der Fähigkeit zur Menschenbildnerin auch diesen Kosmos erarbeiten.

Dass sie dafür gut aussehen muss, ist keine Frage. „Nicht so jung, aber so schön wie möglich.“ Dabei hilft ihr Loriot, mit dem sie spazieren geht, ihr Mops. Frische Luft und der tägliche Gang zur Waage gehören fest in ihr Damenprogramm.

Noch etwas, das an ihr fast immer hochlobend Erwähnung findet, ist die hohe Kultur ihrer Sprache. Da hilft ihr der Gatte, der Wiener Regisseur Gerhard Tötschinger. „Also, wenn mir mal so ein Wort wie Schei… rausrutscht, dann macht er klar, dass das einfach nicht schön ist.“ Sie sagt dann so etwas wie „o weh“. Im Ruhrgebiet dürfte sie auch anders.