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Mülheim plant bis zu acht Container-Dörfer für Flüchtlinge

Mülheim plant bis zu acht Container-Dörfer für Flüchtlinge

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Foto: Funke Foto Services
Um die steigende Zahl von Flüchtlingen in Mülheim halbwegs angemessen zu versorgen, plant die Stadt bis zu acht Container-Dörfer.

Mülheim. 

Fast täglich muss die Stadt ihre Flüchtlingszahlen nach oben korrigieren. Sozialdezernent Ulrich Ernst geht inzwischen am Jahresende von rund 2400 Flüchtlingen und Asylbewerbern in Mülheim aus. Derzeit leben in der Stadt knapp 1200. Die Verdopplung stelle alle vor eine große Herausforderung, erklärte er jetzt bei einer Bürgerversammlung in der Max-Kölges-Schule. Um die Menschen unterzubringen, plant die Stadtverwaltung die Errichtung von Containerstandorten, in denen jeweils bis zu 200 Flüchtlinge untergebracht werden sollen.

Der Sozialdezernent geht von sieben bis acht Standorten aus, die über das Stadtgebiet verteilt werden sollen. Ziel sei es, keine Konzentrierung in einzelnen Stadtteilen vorzunehmen. Die Stadt hat bereits 50 mögliche Standorte danach überprüft, ob eine Container-Aufstellung möglich ist. Voraussichtlich im November soll der Rat die endgültigen Entscheidungen treffen.

Bis die „Dörfer“ stehen, vergehen in der Regel mehrere Monate, sagt Ernst. Für die Zwischenzeit muss die Stadt Interimslösungen finden. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran“, so Stadtsprecher Volker Wiebels. Es gehe nicht mehr darum, was wünschenwert und gut sei, sondern nur noch darum, was ist realisierbar.“

Auch Schulgebäude wird die Stadt angesichts der vielen Flüchtlingskinder benötigen. Die beschlossene Aufgabe der Max-Kölges-Schule könnte daher wieder rückgängig gemacht werden.

Wissbegierige Flüchtlingskinder

Mehr Flüchtlinge heißt nicht nur mehr Unterkünfte, mehr Betreuer, mehr Beratung, mehr medizinische Versorgung, sondern auch mehr Schule. Bisher, so Sozialdezernent Ulrich Ernst, konnten alle Flüchtlingskinder in Grundschulen und auf allen weiterführenden Schulen untergebracht werden. Für sie gilt Schulpflicht. Doch auch diese Kapazitäten sind irgendwann begrenzt wie die Zahl der freien Wohnungen. „Wir brauchen Schulen“, betont Ernst und deutet an, dass etwa auch die bereits beschlossene Aufgabe der auslaufenden Hauptschule in Eppinghofen noch einmal überdacht wird.

Flüchtlingskinder in den Schulen – das ist eine positive Geschichte, wie Mitarbeiter der Sozialverwaltung am Montagabend auf der Bürgerversammlung in Eppinghofen berichten. Pädagogen bestätigen dies. Die Flüchtlinskinder seien sehr wissbegierig und legten ein hohes Lerntempo vor.

Längst nicht alles läuft in diesen Wochen so gut. Bei der Suche nach Wohnraum steht die Stadt unter hohem Druck. An der Schillerstraße hat sie jetzt zwei Mehrfamilienhäuser von einem privaten Anbieter angemietet. 28 Apartments stehen dort zur Verfügung, Platz für maximal 60 Personen, wenn die letzten Mieter ausgezogen sind.

Kontingent ausgeschöpft

Es gab Kündigungen durch den Vermieter, weshalb ein Bewohner auf der Bürgerversammlung betroffen fragt: „Wohin soll ich?“ Die Stadt will ihm helfen. Eine Vermieterin schildert, dass sie einer Flüchtlingsfamilie helfen wollte und bei der Stadt drei Zimmer mit Gartennutzung angeboten hatte. Gehört habe sie dann nichts mehr. „Ich hatte den Eindruck, da gibt es kein Interesse.“

Interesse hat die Stadt schon an derartigen Angeboten, aber derzeit eben auch ein hohes Maß an Logistik zu leisten. Nicht alles läuft da immer rund. 90 Prozent der Flüchtlinge konnte das Sozialdezernat bisher in Wohnungen der Stadttochter SWB unterbringen, zuletzt an der Mellinghofer Straße. Doch auch bei SWB ist das Kontingent inzwischen ausgeschöpft. Bis die Container-Dörfer errichtet sind, werde man nun zu „unkonventionellen Lösungen greifen, die uns nicht unbedingt gefallen“, sagt Ernst und gibt zu bedenken: „Die Alternative wäre schlimmer und würde bedeuten, dass die Menschen im Bahnhof, im Forum oder unter der Schloßbrücke campieren müssten.“

Woher kommen die Menschen? Das wollen immer wieder Bürger im Stadtteil wissen. Eine Frage, auf die es vorher nie eine Antwort gibt. Keiner weiß es im Rathaus, wo man sich quasi stündlich auf neue Zuweisungen einstellt.

Weiterhin dominiert Hilfsbereitschaft

Mehrfach betont der Dezernent, dass Flüchtlinge wie demnächst an der Schillerstraße oder künftig an den Container-Standorten rund um die Uhr betreut werden. Die Stadtverwaltung teilt sich die Arbeit mit mehreren Kräften, unter anderem mit der Stiftung für paritätische Arbeit (Pia). Der soziale Dienst der Stadt Mülheim bietet täglich vor Ort Sprechstunden an, hilft bei allen Alltagsfragen, bei der medizinischen Versorgung, natürlich bei Übersetzungen.

In der Bürgerschaft dominiert weiterhin die Hilfsbereitschaft. „Ich könnte Sprachkurse anbieten, habe Erfahrung“, meldet sich eine Frau in der Runde. Eine andere fragt, was denn noch fehle an Möbeln, Kleidung, Hausrat. Wer helfen will, trägt sich in eine Liste ein.

Längst hat sich ein großes Netzwerk der Hilfe in Mülheim entwickelt. So wollen sich etwa die Berufsbildungswerkstatt, die Pia und das Diakoniewerk Arbeit & Kultur um nicht schulpflichtige junge Erwachsene kümmern, die sonst irgendwie nutzlos ihren Tag totschlagen müssen und vom Lagerkoller bedroht sind. Sprachkurse will die VHS ausweiten, und auch die junge Hochschule will man ins Boot holen. „Es sind“, sagt Ernst, „auch Studenten aus Syrien angekommen, die hier ins Studium einsteigen möchten.“