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Maues Heimspiel

Maues Heimspiel

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Foto: Christoph Wojtyczka / WAZ FotoPo

Mülheim. 

Ministerpräsidentin und SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft hat am Samstag ihren Wahlkampf zur Landtagswahl mit einer Vier-Städte-Tour durch NRW gestartet. Erste Etappe war morgens von 10 bis 11 Uhr der Kurt-Schumacher-Platz in ihrer mölmschen Heimatstadt, wo sie mit Berlins Regierendem Bürgermeister, Klaus Wowereit, auf Stimmenfang ging. Ein gelungenes Heimspiel war es jedoch nicht.

Rund 250 Menschen – der überwiegende Teil Journalisten, Kameraleute, Fotografen, Personenschützer, Jusos und lokale Genossen – hören dem Talk zwischen der stets strahlenden Landesmutter, dem eher müde wirkenden Berliner und der als Moderatorin fungierenden OB Dagmar Mühlenfeld zu.

Die Gemengelage auf dem Kurt-Schumacher-Platz hätte wohl verworrener nicht sein können: Da die Stände der Befürworter und Gegner des Bürgerentscheids um die Hauptschule in Eppinghofen, dort die große SPD-Bühne und zahlreiche rote Pavillons entlang der tristen Schloßstraße mit ihren Marktständen. Beiden Schullagern ist die Aufmerksamkeit im Schatten des großen Auftritts genehm. Angesichts von Slogans wie „Kein Kind darf zurückgelassen“ dürfte Richard Grohsmann, Sprecher des Bündnisses für Bildung, zufrieden sein. Zumindest nach dem Kraft-Intermezzo gehört die SPD-Bühne den Bündnismitgliedern.

„Da kauf’ ich lieber Steuer-CDs“

Ganze 45 Minuten stehen die Protagonisten beim Polit-Plausch auf der Bühne. Viel Beifall erntet Kraft bei ihren Ausführungen zum Steuerstreit mit der Schweiz und der Kritik an dem ausgehandelten Abkommen von Bundesfinanzminister Schäuble mit den Eidgenossen. „Da kauf’ ich lieber Steuer-CDs“, verteidigt sie die Maßnahmen der NRW-Steuerfahnder. Täter würden mit dem Abkommen weiterhin Anonymität genießen und auch die Gültigkeit ab Januar 2013 stellt sie als Schlupfloch in Frage.

Wie ein Mantra präsentiert sie denn auch mit dem nicht gerade für seine Haushaltsdisziplin bekannten Wowereit ihre Finanzpolitik, ein Dreiklang aus Haushaltskonsolidierung, Mehreinnahmen und Investitionen in Bildung. Beim Thema Solidarpakt erneuert Kraft („Der neue Osten liegt im Westen“) unisono mit OB Mühlenfeld („Wir wollen, dass sich der Blick beim Solidarpakt erweitert“) die Forderung nach einer Verteilung nach Bedürftigkeit und nicht nach Himmelsrichtung.

Auf Tuchfühlung mit Bürgern begibt sich Kraft im Anschluss, bei einem für mediale Bilder perfekt geeignetem Spaziergang mit „Wowi“ über die Schloßstraße. Da ist der Mensch Hannelore Kraft das Zugpferd. Die Menschen bleiben stehen, drehen ihre Köpfe nach ihr um, die Spargelverkäuferin bekommt einen roten Luftballon. „Datt is ne Mülheimerin, die is’ sympathisch“, sagt die Frau auf Nachfrage. Wowereit und Kraft nehmen sich Zeit für gemeinsame Fotos, schütteln Hände und lassen kaum einen Weggefährten aus, sei es der der türkische Bäckerei-Inhaber, gemütlich lachende Omis mit Rollator oder seien es eher nach den Ballons trachtende Kinderaugen.

„Sie ist eine überzeugende Frau“

Die vierjährige Sophie aus Saarn hat Glück, sie ergattert das letzte Herz mit SPD-Signet. „Weiss ich nicht“, antwortet sie darauf, ob sie wisse, wer die Frau gewesen sei. Egal, Hauptsache Ballon abgestaubt. „Sie ist sehr freundlich und kommt bei den Mülheimern gut an“, sagt die Mutter und geht weiter. Kaum ist Kraft samt großem Journalisten-Tross in den Wahlkampfbus mit Ziel Gelsenkirchen eingestiegen, kehrt wieder Ruhe vor dem Forum ein.

Die Augen von SPD-Wahlkämpferin Susanne Dodd glänzen immer noch. „Ich habe sie die letzten zwölf Jahre begleiten können, sie ist eine überzeugende Frau“, sagt die 47-Jährige aus dem Ortsverein Broich.

Nicht so euphorisch sieht das verständlicherweise FDP-Wahlkreiskandidat und Kreisvorsitzender Christian Mangen, der im Viererbündnis um ein Nein beim Bürgerbegehren wirbt. Aufbruchstimmung verspürt er aber bei den Liberalen: „Die Stimmung ist seit Herrn Lindner hervorragend“, sagt Mangen. Und macht gleich Werbung für den Auftritt des FDP-Spitzenkandidaten am Montag um 17 Uhr im „Franky’s“ im Wasserbahnhof. „Ein anderes Format“, gibt er zu, dessen Zuschauerresonanz ebenso ungewiss ist.