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Warum ein Diplom-Designer alten Rennrädern verfallen ist

Warum ein Diplom-Designer alten Rennrädern verfallen ist

Benjamin Baltus, Geschäft „Velo Wonka“.jpg
Foto: FUNKE Foto Services
  • Benjamin Baltus hat im Essener Südviertel ein Geschäftfür alte Rennräder und Rennrad-Teile eröffnet
  • „Ich bin kein Fahrrad-Geschäft“, sagt der Diplom-Designer
  • Rennräder haben viel mit seiner Leidenschaft zum Design zu tun

Essen. 

Dies ist eine Geschichte über die Kraft des Designs. Wie wichtig Formgebung ist bei Produkten, die, streng genommen, auch ganz ohne auskommen könnten. Eigentlich. Tun sie aber nicht.

Benjamin Baltus (34) hat vor wenigen Tagen im Südviertel „Velo Wonka“ eröffnet, ein Geschäft für alte Rennräder und Rennrad-Teile. „Ich bin kein Fahrrad-Geschäft“, sagt Baltus, und das muss er jetzt dann doch mal erklären, bitte.

Baltus ist Diplom-Designer. An der Uni kam er an einen Leistungs-Nachweis, einen „Schein“, als er einmal ein Rennrad entwarf. Eigentlich nur, weil er auf klassische Werbung „keine Lust“ hatte. „Bis dahin hatte ich wirklich nichts zu tun mit diesem Thema“, sagt Baltus. Doch sofort stellte er fest, dass Rennräder, vor allem jene alten Modelle aus Stahl, sehr viel mit seiner eigentlichen Leidenschaft zu tun haben, dem Design. „Das hat mich geflasht“, sagt Baltus und schwärmt von verzierten Muffen, von Chrom und Anbauteilen, die mit der alten Kunst der Pantografie, einer Art Gravur, seinerzeit veredelt wurden.

Italienische Rennräder

Das Rennrad bedient auch deshalb immer einen gewissen Sinn für Ästhetik, weil es wegen der Gewichtsreduktion alles weglässt, was wegkann: keine Schutzbleche, kein Licht, kein Gepäckträger. Um Weglassen geht es auch bei gutem Design; für Gestalter-Profis eine eiserne Regel.

So kam Baltus jedenfalls ans Rennradfahren und fing vor vier Jahren an, sich nebenbei auf den Handel mit italienischen Klassikern zu konzentrieren: Colnago, Chinelli oder Bianchi heißen seine Favoriten. „Italiener haben es am besten verstanden, elegante Räder zu bauen.“ Er verweist auf liebevoll aufgelötete Italien-Flaggen beim traditionsreichen Hersteller Gios; er schwärmt für die zeitlose Schönheit einer „Campagnolo“-Kurbel mit drei Zahnkränzen. Er hat ein Sondermodell im Regal, 30 Jahre alt, 500 Euro kann er dafür verlangen; die Kurbel wird ihren Kunden finden. Kurz erklärt: Kurbel ist das Teil, an dem die Pedalen sind. Und „Campagnolo“ ist einer der wenigen Konkurrenten des populären Herstellers Shimano; was Umsatz angeht, wohl weit abgeschlagen, aber mit Fans auf der ganzen Welt.

Interessenten aus aller Welt

Und so stellte Baltus fest, dass Kunden in Asien, Australien, in Amerika genau jene Original-Teile suchten, die er gerade da hatte, und dass sie bereit waren, dafür einiges an Geld auszugeben. „Das ist wie mit Oldtimern. Viele Leute wollen irgendwann im Leben nochmal das Rennrad fahren, das sie früher mal hatten.“ Folglich interessiert sich Baltus für italienische Fabrikate zwischen den Sechzigern bis Mitte oder Ende der Neunziger – als Alu als Rahmenbaumaterial dem Stahl den Rang ablief; zumindest im Massenmarkt. „Dabei sind Stahlrohre viel schöner, schlanker, eleganter, eben zeitlos“, sagt Baltus.

Und darum geht es ja. Beim Design, und eben auch beim Rennrad. „Dies ist eher eine Technik-Boutique, kein Radgeschäft.“

Verkauft werden Sammlerstücke

„Velo Wonka“ heißt das Geschäft von Benjamin Baltus; „Vintage Classic Bikes and Parts“. Verkauft werden einzelne Teile, angefangen von der Schraube über den Original „Brooks“-Sattel oder andere Fabrikate bis hin zum kompletten Fahrrad. Dafür muss der Kunde durchaus mehr als 1000 Euro ausgeben. „Das sind Sammlerstücke für Liebhaber“, betont Baltus. Sein Geschäft bietet keinen Reparatur- oder Inspektions-Service; gleichwohl können Kunden selbst Hand an ihr Rad legen; Werkzeug ist vorhanden. Isenbergstraße 40, Südviertel, geöffnet montags bis freitags, 8.30 bis 14.30 Uhr; auch im Internet (www.velowonka.de), bei Ebay und Facebook.