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Schlammschlacht um Ende eines Studiengangs

Schlammschlacht um Ende eines Studiengangs

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Foto: waz / Frank Vinken

Essen. 

Die Uni Duisburg-Essen will die Kommunikationswissenschaften auslaufen lassen. Ein betroffener Professor wirft Rektor Ulrich Radtke Ignoranz vor. Er würde den Studiengang auf „kaltem Weg eliminieren“ und „durchregieren wie auf dem Kasernenhof“.

Großer Ärger an der Universität Duisburg-Essen über die Zukunft des Faches Kommunikationswissenschaft (KoWi): Weil das Rektorat jüngst beschlossen hat, den in Essen angesiedelten Studiengang zugunsten des benachbarten Fachs „Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft“ (Komedia) zu schließen, tobt auf Internet-Seiten und in Interviews eine regelrechte Schlammschlacht.

Der geschäftsführende Direktor der Kommunikationswissenschaftler, Prof. Jens Loenhoff, wirft Uni-Rektor Ulrich Radtke vor, den Studiengang auf kaltem Weg zu eliminieren, obwohl dieser gute Arbeit leiste. „Den neuen Parolen von wegen ,Offen im Denken’ spricht das Hohn“, schimpft Loenhoff, der dem Rektor vorwirft, „durchzuregieren wie auf dem Kasernenhof“. Die „KoWis“ hätten eine gute Bilanz vorzuweisen, fast alle der 1400 Magister-Absolventen der letzten 30 Jahre besäßen gute Jobs in den Bereichen Medien, Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung. „Wir werden es nicht hinnehmen, als Rohrkrepierer hingestellt zu werden.“ Das Fach Komedia hält Loenhoff für keinen echten Ersatz, da es „nicht sozialwissenschaftlich, sondern eher technisch“ ausgerichtet sei.

Rektor Ulrich Radtke kann den Argumenten des Kollegen wenig abgewinnen. „Wir müssen die knappen Ressourcen so umschichten, wie es uns ein wissenschaftliches Gutachten empfiehlt und wie es auch den Präferenzen der Studierenden entspricht.“ Komedia habe bei 2000 Bewerbungen und 190 Studienanfängern einfach weit die Nase vorne, während sich der 2007 eingeführte Master-Studiengang im Fach Kommunikationswissenschaft nicht durchgesetzt habe. Bei Loenhoff gebe es darüber offenbar „verletzte Eitelkeit“. Das könne für das Rektorat aber keine Entscheidungsgrundlage sein.

„Keine Zeit und kein Geld für zweite Chancen“

Seit 30 Jahren existiert das Institut für Kommunikationswissenschaft in Essen, und dass der Studiengang zu seiner Zeit Erfolg hatte, steht auch für Uni-Rektor Ulrich Radtke außer Frage. Damit sei es aber eben vorbei und die 44 Master-Studierenden, von denen die Institutsleitung spricht, sind für Radtke kein Gegenbeweis. Das Konkurrenzfach „Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft“ (Komedia) habe sich hingegen „dynamisch entwickelt“ und werde nun bevorzugt gefördert. Auch bei den Lehrenden gebe es eine erfreuliche „Aufbruchstimmung“, so Radtke.

Bei den Kommunikationswissenschaftlern habe man hingegen Entwicklungen verschlafen, auch die zu Bachelor-Studiengängen. „Erst wollten sie keinen, vor zwei Jahren wollten sie dann doch, aber da war es zu spät“, erklärte Radtke, um kühl zu ergänzen: „Wir haben weder die Zeit noch das Geld für zweite Chancen.“

Ein Gutachten habe in der Kommunikationswissenschaft zudem Schwächen bei der wissenschaftlichen Qualität aufgezeigt, und auch die Vermittelbarkeit der Absolventen ins Berufsleben sei nicht mehr sonderlich gut. Das – wie es heißt – „praxisnähere“ Fach Komedia sei marktgängiger, auch weil es Kenntnisse in Informatik, Betriebswirtschaft und Psychologie vermittle.

Schlecht kommuniziert

Dass drei der vier KoWi-Professoren in den nächsten vier Jahren pensioniert würden, eröffnet aus Radtkes Sicht die Chance zu einer grundlegenden Umstrukturierung. Dass der vierte, Prof. Jens Loenhoff, den gesamten Vorgang anders bewerte und dagegen opponiert, hält Radtke für „normal, denn er ist unmittelbar betroffen“. Man werde aber ein neues Tätigkeitsfeld an der Uni Duisburg-Essen finden, „darüber werde ich noch mit ihm sprechen“.

Dass dieses Gespräch allzu harmonisch ausfällt, wird man kaum erwarten können. Loenhoff will in nächster Zeit alle ihm verfügbaren Hebel in Bewegung setzen, um „seinen“ Studiengang doch noch zu retten, will etwa versuchen, die Ehemaligen des Alumni-Netzwerks zu aktivieren. Enttäuscht hat Loenhoff auch, dass er vom Rektoratsbeschluss aus dem Internet erfahren habe. „Es ist wohl nicht zu viel verlangt, in solchen Fällen den geschäftsführenden Institutsdirektor anzurufen.“ Radtke nimmt sich auch davon nichts an. Er habe ordnungsgemäß den Dekan der Fakultät informiert, der das Institut für Kommunikationswissenschaft angehört. „Wenn die Information nicht weitergegeben wird, kann man das nicht dem Rektor anlasten.“

Sichergestellt ist nach Darstellung der Uni-Leitung, dass alle, die noch Kommunikationswissenschaften studieren, ihren Master machen können. Das gelte selbstverständlich auch für die, die sich zum Wintersemester 2011/12 neu immatrikulierten. Mit ihnen wird dann eine 30-jährige Tradition enden.