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Von „Ela“ zerstörte Fläche in Essen soll sichtbar bleiben

Von „Ela“ zerstörte Fläche in Essen soll sichtbar bleiben

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Multikopter in Essen Foto: Michael Gohl / FUNKE Foto Services
Umweltdezernentin Simone Raskob will eine vom Orkan Ela zerstörte Fläche im Essener Wald unangetastet lassen, um auf den Klimawandel hinzuweisen.

Essen. 

Es klingt so, als will Umweltdezernentin Simone Raskob der größten Essener Naturkatastrophe seit Kriegsende ein Denkmal setzen. „Wir haben vor, einen Teil von Ela dauerhaft sichtbar zu machen“, verkündete die Beigeordnete. Und zwar im Essener Wald, in dem der Orkan am Pfingstmontag vergangenen Jahres nach bisher groben Schätzungen zehn bis 15 Prozent des Baumbestandes innerhalb weniger Minuten vernichtete.

Auf einer noch zu bestimmenden besonders beschädigten Forstfläche sollen Waldbesucher auch in Zukunft mit eigenen Augen sehen können, welche zerstörerischen Kräfte das Wetter entwickeln kann und wie wichtig deshalb der Klimaschutz sei.

„Forstbetriebswerk“ soll 2016 beschlossen werden

Ein Stück zerstörte Erde soll sich selbst überlassen bleiben. Die Bäume auf diesem Anschauungs-Areal werden nicht weggeschafft, keine neuen gepflanzt, die Schneisen, die der Sturm schnitt, werden weiter deutlich sichtbar sein. „Dass wir das auch dem europäischen Publikum zeigen, dass 2017 zum Grüne-Hauptstadt-Jahr zu uns nach Essen kommt, halte ich für eine vernünftige Idee“, betonte Raskob. Gleichzeitig will sie den Besuchern aber auch an einem anderen Beispiel exemplarisch einen resistenten Zukunftswald zeigen, der nach Gesichtspunkten der Ökologie und der Widerstandsfähigkeit wiederaufgebaut wurde. Schließlich hatte die Stadt doch bei der Bewerbung um die „Grüne Hauptstadt Europas“ damit geworben, mit einer Naturkatastrophe fertig zu werden.

Was den 1750 Hektar großen Wald angeht, sind die Uhren seit dem 9. Juni 2014 quasi stehen geblieben. Für die Besucher wurden die Wege freigeräumt, alle anderen Pflege- und Rodungsarbeiten aber bis auf weiteres eingestellt. Erst in wenigen Wochen weiß Grün und Gruga (GGE) angesichts von neuen Luftaufnahmen, die gemacht wurden und in Zusammenarbeit mit der Uni Dortmund und dem Regionalverband Ruhr (RVR) ausgewertet werden, wie groß das Ausmaß der Schäden tatsächlich ist. Klar ist jetzt schon: Für den Essener Wald muss ein Wiederaufbau-Plan her, ein auf zehn Jahre angelegtes „Forstbetriebswerk“, den der Rat 2016 beschließen soll.

Wenig Ahnung vom Klimawandel

Am 24. Oktober startet der zweite Workshop mit interessierten Bewohnern. Gleichzeitig werden dazu die Ergebnisse einer Umfrage unter 944 Waldbesuchern diskutiert. Eine derart hohe Bürgerbeteiligung über die Zukunft des Essener Waldes habe es bisher noch nicht gegeben, sagte die Umweltdezernentin: „Es wäre fatal gewesen, den Wald aufzuräumen und eins zu eins wiederherzustellen, ohne die Bürger zu fragen. Wir diskutieren deshalb in Ruhe, wohin wir wollen.“

Das Meinungsbild dazu ist unterschiedlich. Bei der im Mai erfolgten Wald-Umfrage sprachen sich zwar eine Mehrheit (52,6 Prozent) für eine vollständige Wiederaufforstung aus. 33,2 Prozent dagegen meinten, dass der Wald nur teilweise wieder aufgebaut werden müsse. Deutlich höher war die Zustimmung in einem anderen Punkt. 83,2 Prozent plädierten für eine regelmäßige Pflege des Forstes. Und: Die meisten wünschen sich weiterhin einen Mischwald mit Lichtungen und Sichtschneisen.

Zur Frage, ob man die Waldbäume für ausreichend widerstandsfähig gegen den Klimawandel halte, sagten 503 der 944 Befragten, dass sie darüber „keine Ahnung“ hätten. Da bestehe wohl noch Aufklärungsbedarf, findet Umweltdezernentin Simone Raskob.

„Keine Nutzungskonflikte im Wald“ 

Hört, hört – was rauscht denn da im Walde…? Tobias Hartung ist der Mann bei Grün und Gruga (GGE), der nach Ela den Wald-Workshop leitet. Dass vor einigen Monaten sich Studenten von früh bis spät ins Grüne aufmachten, um vor Ort die Besucher zu befragen, kam ihm da gerade recht. „Ich wollte schon lange wissen, was da los ist.“

Nun weiß er immerhin, dass die meisten der 944 Befragten sich im Wald schlicht wohl fühlen wollen und auch gar keine Lust empfinden, sich mit anderen zu streiten oder über sie zu ärgern. Oh’ wäldlicher Friede…

Zwar ist mehr als jeder Dritte mit dem Auftreten anderer Besucher nicht zufrieden (in erster Linie werden hier Radfahrer und Hundebesitzer genannt), aber „das Schöne ist, dass viele überhaupt keine Nutzungskonflikte im Wald wahrnehmen“, betonte die Studentin Sophia Kock, die gestern die Ergebnisse der Befragung vorstellte. Fast zwei Drittel fühlten sich nicht durch andere gestört.

Spaziergänger als stärkste Gruppe

Auch auffallend: Wer einmal den Essener Wald gesehen hat, der lässt davon nicht mehr los. 48,3 Prozent der Befragten sind dort täglich und fast 40 Prozent halten sich dort immerhin einmal die Woche auf. „Dieser Wald wird oft genutzt“, resümierte Sophia Kock – und zwar zu mehr als 90 Prozent von Essener Bürgern, die Mehrzahl darunter kommt aus den südlichen Stadtteilen.

UmweltschutzDie meisten Interviewten wollten im Wald spazieren (471), dicht gefolgt von Frauchen und Herrchen, die mit dem Hund gassi gehen (419). Die Sportler haben sich den dritten Platz (371) ergattert, unter ihnen sind es vor allem die Jogger (56,4 Prozent), die die grüne Lunge für ihre Lunge brauchen. Die Radfahrer kommen auf 21 Prozent und die Walken-Anhänger immerhin auf 15,6 Prozent.

Forderung nach Abfallbehältern an Waldwegen

Für Grün und Gruga ist besonders folgendes Ergebnis interessant: Mehr als 90 Prozent sind damit einverstanden, dass die Naturschutzareale (das sind immerhin acht Prozent des Waldgebietes) nicht betreten werden dürfen. „Es beruhigt uns, dass es da eine hohe Zustimmung gibt“, erklärte Roland Haering, Leiter Waldungen und Baumpflege bei Grün und Gruga. Er wundert sich allerdings , warum seine Mitarbeiter in den Naturschutzgebieten trotzdem immer wieder Trampelpfade feststellen.

Der Wunsch nach mehr Bänken im Wald wird geprüft. Die Forderung von Interviewten nach Abfallbehältern an Waldwegen wird dagegen eher kritisch gesehen. In den Alpen gebe es so etwas auch nicht, sagte die Beigeordnete Simone Raskob: „Warum soll das im heimischen Wald nicht auch so sein?“

GGE-Abteilungsleiter Roland Haering wird noch deutlicher. Für ihn gilt nur eine Richtschnur: „Wer etwas in den Wald reinträgt, der trägt es auch wieder raus.“