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Artut will bei der WM wieder Darts-Star Gary Anderson ärgern

Artut will bei der WM wieder Darts-Star Gary Anderson ärgern

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11 06 2015 xhbx Dart PDC World Cup 2015 v l Jyhan Artut Deutschland Foto: imago
Jyhan Artut tritt bei der Darts-WM an. Heute kann er von seinem Sport leben. Das war nicht immer so. Ein Gespräch über Geldsorgen und gepackte Koffer.

Bremen. 

Der Bremer Jyhan Artut ist ein Mann mit feinem Händchen. Er gehört zu den besten Darts-Spielern in Europa und ist einer von drei Deutschen, die ab Donnerstag, 17. Dezember 2015, bei den Weltmeisterschaften in England mit Pfeilen werfen. Ein größerer Zuschauerkreis wurde aufmerksam auf den 39-Jährigen, als er bei der WM 2012 gegen Gary Anderson mit 2:0 in Führung ging und den erfolgsverwöhnten Star aus Schottland an den Rand einer Niederlage brachte.

Sie sind zum fünften Mal bei den Darts-Weltmeisterschaften in London am Start und Profi. Welche Art von Hotel leisten Sie sich: drei oder vier Sterne?

Jyhan Artut: Mir geht es mittlerweile schon ganz gut. Ich habe Partner aus England gefunden, die mich mögen und mir helfen. Und deshalb kann ich auch erstmals auf der Tour befreit aufspielen. Die meisten nationalen Sponsoren haben leider noch nicht erkannt, welch hohe TV-Präsenz ein Turnier wie die Darts-WM mittlerweile hat.

Das Turnier ist ein großes Spektakel, bei dem meistens ein Brite gewinnt und die deutschen Spieler fast immer früh scheitern. . .

Artut: Die Masse wird immer stärker. Es sind so viele junge Holländer und Engländer dazugekommen. Die jungen Spieler, die im Ausland gut sind, finden sofort Sponsoren, brauchen sich um nichts mehr zu kümmern und werden von A nach B gefahren, während ich meine Reisen zu Turnieren immer noch selbst buche.

Sie buchen und reisen auf eigene Faust?

Artut: Ich habe lange Zeit versucht, mich komplett alleine durchzuschlagen. Ganz ohne Sponsoren. Ich bin gelernter Drucker. Als das Darts-Spielen populärer wurde, hatte ich noch zwei Kneipen. Weil die nach der Umstellung auf den Euro nicht mehr so richtig liefen, habe ich angefangen, mehr Turniere zu spielen. Irgendwann gab es mehr Preisgeld zu verdienen. Dann habe ich gleich meine erste Chance, die WM zu erreichen, nutzen können. Die Flüge buche ich bis heute noch selbst.

Das klingt nach harten Jahren.

Artut: Früher bin ich auch zu Turnieren in Belgien, Finnland und sogar Malta geflogen. Da gab da kaum Preisgeld. Selbst wenn du bei solch einem Turnier Erster wirst, kannst du damit nicht viel finanzieren. Wer in der Rangliste nicht vorne steht, kann auch nicht wirklich entspannen. Das macht dann müde und man kommt einfach nicht mehr zur Ruhe.

Und trotzdem sind Sie Darts-Profi geworden und geblieben.

Artut: Damals, als ich unbedingt Sponsoren brauchte, hatte ich keine. Das war eine schwierige Zeit. Ich habe meiner Freundin vor drei Jahren gesagt: Du musst damit rechnen, dass wir auch mal eine Woche lang Nudeln essen müssen. Mit jedem Turnier, bei dem du nichts gewinnst, erhöht sich der Druck. Aber im Moment geht es mir gut. Ich muss mir nicht mehr so viele Gedanken machen, was das Finanzielle angeht. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass ich in den nächsten Jahren ein noch besserer Spieler werde.

Mit wie viel Mut treten Sie in London an? Ihr Gegner in der ersten Runde ist Stephen Bunting aus Liverpool, immerhin der Viertelfinalist des Vorjahres.

Artut: Es ist gut, in der ersten Runde gleich gegen einen der Favoriten zu spielen. Wer nach vorne will, muss genau solche Leute schlagen. Ich muss mein bestes Spiel zeigen, um ihn zu schlagen. Genau das habe ich dieses Jahr schon einmal gegen ihn geschafft. Ich bin guter Dinge.

Aber Sie sind in der Szene auch bekannt geworden durch eine bittere Niederlage. Sie haben bei der WM 2012 den ganz großen Wurf verpasst.

Artut: Darauf werde ich immer wieder angesprochen. Ich habe gegen Gary Andersen mit 2:0 geführt und hatte schon Matchdarts. Ich wollte das Match unbedingt gewinnen, das wäre der perfekte Einstieg ins Turnier gewesen. Er war der Vizeweltmeister. Aber dann hat mir irgendwie die Spannung gefehlt. Das gesamte Match war super, nur das Ergebnis nicht.

Wie nehmen Sie als Profi Tausende Zuschauer wahr, die häufig feuchtfröhlich feiern und in der Halle grölen?

Artut: Ich bin irgendwie eine Rampensau. Ich mag das. Das ist viel besser, als wenn da nur 200 Leute sitzen und man jeden einzelnen Zwischenruf hört. Das irritiert mich mehr, als wenn 10.000 Leute in der Halle sind. Ich spiele gerne Sachen, bei denen ich mich konzentrieren muss. Auf der Playstation zum Beispiel. Da tauche ich richtig ein. Im Englischen nennt man das „The Flow“. Wie in einem Tunnel. Je mehr mein Kopf zu tun hat, desto besser. Ich mag es, mich auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren und den Rest ganz auszuschalten.

Wie viel trainieren Sie und was genau eigentlich?

Artut: Vor den großen Turnieren trainiere ich knapp drei Stunden am Tag mit den Pfeilen. Ich bin jetzt 39 und nicht mehr der Jüngste. Deshalb habe ich künftig vor, Krafttraining zu machen.

Was macht Weltmeister Phil Taylor besser als Sie?

Artut: Phil ist ein Trainingsmonster. Er macht das richtig, was andere falsch machen und arbeitet an den richtigen Punkten. Und der kann ohne den Sport nicht.

Schlank ist der Mann nicht. Was sagt das über das Image der Sportart Darts?

Artut: Die Vorurteile über unsere Sportart kenne ich. Mich ärgert das nicht mehr. Die Leute kommen doch gerne zu uns. Die WM ist einfach ein großes Spektakel. Außerdem: Man kann auch im Rollstuhl sitzen und richtig gut Darts spielen. Das ist deswegen ein schöner Sport, weil er für jedermann ist. Die Leute sind meistens gut drauf und lustig.

Fühlen Sie sich in der Welt des Darts wohl?

Artut: Ich bin jetzt da, wo ich immer hin wollte. Die Turniere sind immer größer geworden, das Preisgeld steigt. Die Sportart hat sich richtig gut entwickelt. Und ich bin außerdem sehr gut gebucht, was Showkämpfe angeht. Mein Koffer steht immer bereit.