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Sprintstar Usain Bolt irritiert mit seinem Schweigen zum Doping-Skandal

Usain Bolt irritiert mit seinem Schweigen zum Doping-Skandal

Von den zehn besten Sprintern der Leichtathletik-Geschichte hatten neun Doping-Kontakt. Nur Usain Bolt nicht. Seit Jahren beteuert der Ausnahmesprinter seine Unschuld. Doch der Weltrekordler läuft im Schatten des Zweifels.

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Das Gezwitscher über die schnellsten Männer der Welt ist gewaltig. Bei Twitter schwirren derzeit Zigtausende von Kurznachrichten zum aktuell heißesten Sportthema durch das weltweite Netz. Der schwarze Sonntag der Leichtathletik wirkt nach: Die einen machen sich große Sorgen um das arg ramponierte Image dieser Sportart, andere fühlen sich in ihrer ohnehin schon ablehnenden Haltung gegenüber der von Doping verseuchten Sprinterszene durch den neuerlichen Skandal bestätigt.

Während die Sportwelt analysiert und diskutiert, hüllt sich Usain Bolt, der schnellste Mann der Welt, in Schweigen. Seine fast drei Millionen Twitter-Follower warteten bis Montagabend vergeblich auf einen Kommentar von Bolt zum größten Doping-Skandal der jüngeren Leichtathletik-Geschichte.

Wohlgemerkt, Bolt ist bisher in diese schmutzige Affäre nicht verwickelt. Aber wenn an einem Tag der schnellste Sprinter des Jahres, der US-Amerikaner Tyson Gay, sowie die jamaikanischen Staffel-Olympiasieger Asafa Powell, Nesta Carter und Sherone Simpson positiv auf verbotene Substanzen getestet werden, dann geht das auch Bolt an. Bolt scheint dies aber alles völlig kalt zu lassen. Jedenfalls schickte er lediglich ein Bildchen von sich in ausgelassener Domino-Runde durch das weltweite Netz.

Dutzende von Doping-Tests hat er abgegeben, alle waren negativ

An Domino fühlt man sich auch erinnert, wenn man nach den aktuellen Doping-Fällen die Rangliste der zehn schnellsten Sprinter aller Zeiten betrachtet. Einer nach dem anderen sind die muskelbepackten 100-Meter-Läufer positiv getestet, für eine Zeit lang gesperrt oder sogar lebenslang von der Tartanbahn verbannt worden. Nur einer hat (bisher) eine weiße Weste: Usain Bolt. Dutzende von Doping-Tests hat er abgegeben, alle waren negativ.

Aber kann ausgerechnet die klare Nummer eins, die mit 9,58 Sekunden den Weltrekord hält, als einziger sauber sein? Juristisch ist Bolt natürlich unschuldig. Bis jetzt gibt es keinerlei Anzeichen, dass er betrogen hat. Aber je schneller der sechsmalige Olympiasieger aus Jamaika auf der Bahn unterwegs ist, desto größer werden die Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit.

Auch der schnellste deutsche Sprinter, Julian Reus vom TV Wattenscheid, beschäftigt sich mit der Gretchenfrage: „Als normal denkender Athlet sage ich, wenn man eins und eins zusammenzählt und sieht, dass viele Läufer, die langsamer als er waren, erwischt wurden, warum soll der schnellste Mann dann sauber sein?“

Deutschlands bekanntester Anti-Doping-Kämpfer, der Molekularbiologe Werner Franke, sagt über die Sprinterszene: „Dieses kriminelle Gesocks lügt und betrügt doch schon über Jahrzehnte.“ Franke ist skeptisch gegenüber Bolts Fabelzeiten: „Es mag ja sein, dass es das gibt, ausschließen tue ich das nicht. Es hat sich nur meist in solchen Fällen nach Jahren etwas anderes herausgestellt.“

Dumme Sportler werden sofort erwischt

So, wie bei dem siebenmaligen Tour-de-France-Triumphator Lance Armstrong und vor allem bei Sprinterin Marion Jones. Die dreimalige Goldmedaillengewinnerin von 2000 hat wie Bolt Hunderte Tests in ihrer Karriere abgegeben, wurde aber nie überführt. Jahre später gab sie zu, ausgiebig mit verbotenen Medikamenten betrogen zu haben.

Wer als Doper im Wettstreit mit den Doping-Jägern bestehen will, muss gute Ärzte und eine dicke Geldbörse haben. Dumme Sportler werden sofort erwischt. Anabolika erkennen die Fahnder, übertrieben formuliert, mit dem bloßen Auge im Urin. Deshalb nehmen die finanzkräftigen Sportler – und die Sprinter stehen ganz oben auf der Gehaltsskala – Doping-Cocktails. Spezielle Medikamente verschleiern die eigentlichen leistungssteigernden Substanzen.

Bolt beteuert seit Jahren seine Unschuld

Was für Bolt spricht, ist sein einzigartiges Talent. Der 26-Jährige ist im Gegensatz zu vielen seiner Konkurrenten kein Muskelprotz. „Bolt hat von seiner biomechanischen Grundausstattung her alles, was einen Ausnahmesprinter ausmacht“, sagt Mario Thevis, Professor für Präventive Dopingforschung in Köln, „das heißt wiederum nicht, dass er nicht auch manipulieren könnte.“

Bolt beteuert seit Jahren, dass er völlig sauber, dass er bereit sei, täglich seinen Urin testen zu lassen. Aber der 100- und 200-Meter-Weltrekordler kann noch so oft seine Unschuld beteuern, ob er wirklich sauber sei, das bleibt eine Glaubensfrage. Erst recht nach diesem schwarzen Sonntag.