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„Ich bin süchtig nach dem Eis“

Biellmann: „Ich bin süchtig nach dem Eis“

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Foto: OH
Denise Biellmann, eine der erfolgreichsten Eiskunstläuferinnen, über ihr tägliches Training, die Zeit als Jugendliche, die Gerüchte über eine Liaison mit Udo Jürgens und die Probleme des modernen Eiskunstlaufs.

Zürich. 

Denise Biellmann ist eine der erfolgreichsten Eiskunstläuferinnen der Geschichte. Sie war die erste Frau, die den dreifachen Lutz sprang, die nach ihr benannte Pirouette ist noch heute eine der berühmtesten Figuren im Eiskunstlauf. Am heutigen Dienstag wird die Schweizerin 50 Jahre alt – im Interview spricht sich über ihr tägliches Training, die Zeit als Jugendliche, die Gerüchte über eine Liaison mit Udo Jürgens und die Probleme des modernen Eiskunstlaufs.

Frau Biellmann, als Achtjährige gewannen Sie Ihren ersten Wettkampf, Ihre erste WM liefen Sie mit 13, mit 18 waren Sie Weltmeisterin. Jetzt werden Sie 50. Fühlen Sie sich alt?

Denise Biellmann: Nein. Ganz komisch, so knapp vor meinem Geburtstag habe ich schon gegrübelt. Und wenn ich die Zahl sehe, dann denke ich mir: Hoppala, jetzt wirst du echt schon 50. Aber es macht mir keine Angst, es ist ein schönes Gefühl, zurückzuschauen auf eine tolle Karriere und glückliche 50 Jahre. Ich fühle mich eher so wie, sagen wir, Mitte 30. Liegt aber auch daran, dass ich noch regelmäßig trainiere.

Sie stehen noch auf dem Eis?

Ja. Jeden Tag.

Und wann haben Sie letztmals Ihre Pirouette geschafft?

Gestern Nachmittag. Heute war ich aber auch noch gar nicht auf dem Eis, mache ich erst später.

Sie können es nicht einfach sein lassen mit dem Eislaufen?

Nein. Kann ich nicht. Das Eis ist mein Element, meine Leidenschaft. Ich bin süchtig nach dem Eis. Wenn ich zwei Wochen nicht trainiere, dann fühle ich mich unwohl. Ich muss mich auspowern, meinen Körper spüren, jeden Muskel, für mich ist das eine Frage der Lebensqualität.

Eislauf erfordert bereits im Kindesalter eine enorme Disziplin, hatten Sie einmal das Gefühl, etwas versäumt zu haben?

Nein, weil es schon mit sieben Jahren mein Traum war, Weltmeisterin zu werden. Und es war der Traum von mir, nicht der meiner Eltern, die mich zu was gezwungen hätten. Ich durfte zum Skifahren gehen, bin mit 15, 16 mit meiner Clique fortgegangen, ich habe den Ausgleich auch gebraucht. Man muss auch das andere Leben sehen, um sportlich weiterzukommen. Wäre ich nie in der Disco gewesen, wäre ich nicht so erfolgreich geworden. Man kann nicht für seine Karriere alles wegstreichen.

Außer Kinder. Hatten Sie nie den Wunsch, Mutter zu werden?

Die Frage hat sich mir nie gestellt. Ich war viel zu busy, als dass der Kinderwunsch einmal aufgekommen wäre. Die Tourneen mit „Holiday on Ice“, Shows, Galas, Werbung, da wären mir Kinder zu anstrengend gewesen. Wenn ich etwas mache, dann zu hundert Prozent, aber Karriere und Kinder, das hätte ich nicht vereinbaren können. Das hätte zu Stress geführt, da hätte keiner etwas davon gehabt.

Die Entscheidung für Karriere und Ruhm führte zum Teil aber auch zum Verlust Ihrer Privatsphäre. So wird seit mehr als drei Jahrzehnten immer wieder Ihre vermeintliche Liebschaft mit Udo Jürgens aufgewärmt. Nervt Sie das?

Ich schmunzle da eher drüber, dass ich immer wieder unter seinen Affären oder seinen ganzen Geliebten auftauche. Mit der Zeit bekommt man eine Elefantenhaut.

Sie waren 17, als Sie Händchen haltend in eine Zirkusvorstellung gingen. Er war 46.

Er war sehr charmant, hat mich in seiner Limousine abgeholt, ich fand das toll. Ich wollte ja gar nichts weiter, mehr hat sich da auch nicht getan. Nur, was unser Auftritt medial auslöste, darüber hatte ich mir mit 17 keine Gedanken gemacht.

Welche Gedanken machen Sie sich denn heute über den Eiskunstlauf der Gegenwart?

Zum einen ist es für das Publikum weniger spannend als früher. Damals haben die Preisrichter Notentafeln hochgehalten. 5,7 oder 5,4 oder 5,9, da konnte jeder Zuschauer etwas damit anfangen. Auch der, der nur einmal alle vier Jahre Eislauf bei Olympia sieht. Heute besteht das Punktesystem aus einer Addition einzelner Punkte, wo der Laie nicht mehr ganz durchblickt. Zum anderen fehlen dem Eiskunstlauf heute die großen Namen. Es ist viel schnelllebiger geworden.

Fehlen Ihnen Persönlichkeiten?

Ja. Fragen Sie doch heute mal in Deutschland, welche Eiskunstläufer den Leuten einfallen.

Vermutlich Katarina Witt, Sie mit Ihrer Pirouette. Oder Torvill/Dean mit ihrem Bolero. Ist aber alles schon lange her.

Oder Norbert Schramm. Man wusste früher, wer sie Stars auf dem Eis sind. Heute gewinnt eine aus Russland, dann eine aus Asien, es fehlt an charismatischen Sportlern.

Wie die deutschen Paarläufer Savchenko und Szolkowy. Die sind zwar sehr erfolgreich, aber nicht die großen Publikumslieblinge.

Die laufen super, technisch einwandfrei. Aber es gibt eben nur noch wenige, bei denen der Funke vom Eis über die Bande zu den Fans überspringt. Wenige, die mitreißen.

Fehlt es an der Individualität?

Ja, was aber auch am neuen Punktesystem liegt, das wenig Freiheit lässt, sich zu entfalten. Pirouetten, Kombinationen, Sprünge, da muss alles reingepackt werden, darum ähneln sich die Küren alle. Das wirkt so gehetzt, für das Künstlerische bleibt nicht mehr viel Platz. Es wäre schön, wenn man eine Mischung aus dem alten und dem neuen System finden würde, die den Eigenheiten jedes Sportlers mehr Raum gibt. Mal sehen, was die Zukunft bringt.

Was bringt Ihre eigene Zukunft?

Eine Saison werde ich noch laufen, Shows machen wie auch bei „Holiday on Ice“, dann werde ich mich ganz auf das Coaching konzentrieren, einige Nachwuchsathleten betreuen. Da stehe ich dann auch wieder jeden Tag auf dem Eis.

Und wie feiern Sie den Fünfzigsten?

Mit der Familie. Lebensgefährte, Schwester, Schwager, Mutter. Ganz kleiner Rahmen.

Udo Jürgens kommt also nicht.

Nein. Es sei denn, er würde singen.