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Breitenreiter fordert eine klare Linie von den Schalke-Stars

Breitenreiter fordert eine klare Linie von den Schalke-Stars

Wir haben mit Schalke-Trainer André Breitenreiter über die Arbeit im Trainingslager in Velden, über sein Spielsystem und Claudio Pizarro gesprochen.

Velden. 

André Breitenreiter sitzt auf einer Bank im Garten des Falkensteiner Schlosshotels. Am Mittwochabend sitzt er im Testspiel bei Austria Klagenfurt zum ersten Mal auf der Trainerbank des Fußball-Bundesligisten Schalke 04.

Herr Breitenreiter, wie verwandelt man die erfolglosen Schalker Taktik-Tüftler der vergangenen Saison zu der Pressing-Maschine, die Sie sich für die Zukunft wohl vorstellen?

Breitenreiter: Dieser Begriff stammt nicht von mir, aber es stimmt, dass Pressen und Gegenpressen bei unseren Vorstellungen eine zentrale Rolle spielen. Es ist statistisch bewiesen, dass 50 Prozent der Tore nach Ballgewinnen im letzten Drittel vor dem gegnerischen Tor fallen. Also wollen wir viele Bälle gewinnen – darauf liegt auch ein Schwerpunkt im Training. Man muss ein Gefühl für die Situation bekommen, wann es Sinn macht, den Gegner zu pressen und ihn damit dazu zu verleiten, unkontrollierte Bälle zu spielen. Diese Unordnung muss man dann innerhalb von zehn Sekunden ausnutzen. Barcelona macht das hervorragend vor.

Schalke-Trainer Breitenreiter glaubt an „brutale Qualität“ in der Schalker Offensive

Kann man den Spielstil einer Mannschaft so einfach verändern?

Breitenreiter: Erst einmal ist es natürlich entscheidend für die Spielausrichtung, wie der Kader zusammengestellt ist. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir Spieler haben, die in der Offensive eine brutale Qualität haben. Und dann muss man eben dafür sorgen, dass sie auch kurze Wege zum Tor haben, um erfolgreich zu sein. Das heißt zwar nicht, dass wir nur vorne attackieren wollen, aber je höher man verteidigt, desto kürzer ist der Weg zum Tor. Außerdem sollen die Spieler verinnerlichen, dass sie bei eigenen Ballverlusten sofort dagegen gehen. Ich habe mit Paderborn im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, dass es relativ leicht war, die Schalker zu umspielen – bei aller Qualität, die sie hatten.

Schalke hatte in der vergangenen Saison schlechte Laufwerte. Ist diese Mannschaft überhaupt zu diesem laufintensiven Spiel in der Lage?

Breitenreiter: Warum denn nicht? Man muss sich auch fragen, warum die Laufdaten so gewesen sind. Erst einmal hat das ja etwas mit der Grundausrichtung zu tun und dann auch mit Verletzungen. Wir trainieren hier wirklich sehr, sehr hart und sehr viel – drei Einheiten am Tag gehören dazu, und dazu muss man auch mal sehr früh aufstehen. So werden wir uns die Körner holen, die wir brauchen für das, was wir tun wollen. Aber es geht natürlich nicht nur ums Pressen, denn wenn man das permanent macht, ist man nach 30 Minuten k.o. Das muss situativ kommen.

Wie soll Ihr Fußball mit Schalke denn sonst aussehen?

Breitenreiter: Es geht natürlich auch darum, im Ballbesitz Lösungen aufzuzeigen, wie wir nach vorne spielen. Die Spieler sollen das nicht dem Zufall überlassen, sondern sie sollen wissen, was passiert – das gibt ihnen Sicherheit. So konnten wir uns auch mit dem SC Paderborn mit die meisten Torchancen in der Liga erspielen, obwohl die Qualität nicht so groß war.

Breitenreiter will Schalkes Draxler vor Erwartungsdruck schützen

Auf Schalke haben Sie mehr Qualität…

Breitenreiter: Das ist richtig, und für mich ist es jetzt einfach spannend, das, was bei meinem alten Verein gut funktioniert hat, mit einer solchen Mannschaft wie Schalke umzusetzen. Ich habe den Jungs gesagt: Mit Qualität gewinnt man Spiele. Wenn ich aber Qualität habe und fit bin, dann gewinne ich noch mehr Spiele. Und wenn ich neben der Qualität und der Fitness dann auch noch einen Plan habe, dann bin ich mal gespannt, wer uns alles schlagen wird. Das wird schwer.

Mit Julian Draxler haben Sie einen Spieler, der schnell zum Tor zieht, aber seine Qualität in den vergangenen zwei Jahren, auch aus Verletzungsgründen, kaum abgerufen hat. Was erwarten Sie von ihm?

Breitenreiter: Für mein Empfinden ist der Erwartungsdruck ihm gegenüber extrem hoch, davor möchte ich ihn etwas schützen. Julian wird es gut tun, in diesem Jahr eine Vorbereitung komplett durchzuziehen – die hat ihm im letzten Jahr nach der Weltmeisterschaft gefehlt. Er möchte natürlich ein Spieler auf besonderem Niveau sein, er möchte in die Weltspitze. Aber ich erwarte von ihm, dass er für diesen Schritt hart arbeitet und sich nicht nur auf sein Talent verlässt. Und das hat er in dieser ersten Woche wirklich hervorragend umgesetzt.

Es gibt ständig Gerüchte, dass der FC Arsenal auch in diesem Sommer noch ein Angebot für ihn vorbereiten könnte…

Breitenreiter: Ich plane zu 100 Prozent mit Julian Draxler. Ich bin davon überzeugt, dass er eine Riesen-Saison spielen kann, wenn er eine gute Vorbereitung absolviert und von uns allen die notwendige Unterstützung bekommt.

Auch Joel Matip wird immer wieder mit Newcastle in Verbindung gebracht. Wollen Sie ihn unbedingt halten?

Breitenreiter: Ja natürlich. Man weiß zwar nie, was in zwei, drei Wochen passiert, aber Joel ist ein wichtiger Innenverteidiger. Wenn wir erfolgreich spielen wollen, benötigen wir Konstanten in der Mannschaft, und Joel ist eine davon.

Schalke-Trainer Breitenreiter wünscht sich eine Verstärkung im Angriff 

Sie suchen noch einen Stürmer: Könnte ein erfahrener Mann wie Claudio Pizarro helfen?

Breitenreiter: Fakt ist, dass wir uns im vorderen Bereich auf jeden Fall noch verstärken möchten. Zu Namen möchte ich aber nichts sagen.

Ihr Vorgänger Roberto Di Matteo wirkte immer etwas unnahbar. Sie dagegen kommen bisher bei den Spielern gut an: Sind Sie ein Trainer zum Anfassen?

Breitenreiter: Ich möchte keine Vergleiche anstellen. Für mich ist es wichtig, dass ich einen engen Draht zur Mannschaft pflege, aber die Jungs wissen auch, dass wir nur dann sehr viel Spaß miteinander haben können, wenn wir abliefern und Gas geben. Dann können wir uns auch in den Arm nehmen und herumflachsen. Ich erwarte viel, aber ich kann auch viel geben. Auf dem Platz gibt es eine klare Linie. Wer da nicht mitmacht, hat es schwer, aber diesen Eindruck vermittelt die Mannschaft überhaupt nicht. Man sieht, dass die Spieler eine hohe Eigenmotivation mitbringen und auch im Urlaub gut trainiert haben. Sie haben sich wahrscheinlich auch Gedanken gemacht haben, dass wir sehr hart arbeiten werden. Die Unzufriedenheit über die vergangene Saison war bei den Spielern schließlich extrem hoch.

Breitenreiter will Fußball für die Fans

Ihr Plan von der nächsten Saison hört sich so an, als wenn die Gegner keine Ruhe mehr auf Schalke haben sollen…

Breitenreiter: Wir wissen um die Qualität, die letztes Jahr in Einzelfällen abgerufen wurde. Dass wir damit mehr Spiele gewinnen als verlieren sollten, versteht sich von selbst, aber wir halten den Ball flach. Es geht erst einmal darum, wieder einen Fußball zu spielen, mit dem sich die Fans identifizieren können und der zum FC Schalke 04 passt. Das hat etwas mit Herz und Leidenschaft zu tun, aber das allein reicht nicht aus: Wir brauchen schon einen klaren taktischen Matchplan und die Fitness, um das mit Leben zu füllen.

Pep Guardiola hat Schalke neulich sogar zu den Mannschaft gezählt, die Bayern gefährlich werden könnten: Träumt der?

Breitenreiter: Was sollen wir darüber jetzt reden? Wichtig ist, dass wir auf den Punkt genau fit sind, konsequent arbeiten und unsere Ideen umsetzen und am Ende werden wir schauen, was dabei heraus gekommen ist.