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Leon Goretzka zwischen Schalke und Schulbank

Leon Goretzka zwischen Schalke und Schulbank

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Foto: Bongarts/Getty Images
Der am Donnerstag 19 Jahre alt gewordene Mittelfeldspieler bastelt parallel zur Fußballkarriere an seinem Abitur. Im Interview spricht der Junge aus Bochum über Doppelbelastung, Selbstdisziplin und ein Wettangebot von Schalkes Manager Horst Heldt.

Gelsenkirchen. 

Leon Goretzka versucht im Training, Felipe Santana zu umdribbeln – und rennt wie vor eine Betonwand. Foul? „Eher abspielen!“, murrt Co-Trainer Peter Hermann. Eine kleine Lektion, der Hochbegabte soll schließlich nicht in Watte gepackt, sondern abgehärtet werden, da wird auch am Geburtstag keine Ausnahme gemacht. Leon Goretzka, Mittelfeldspieler des FC Schalke 04, ist am Donnerstag 19 Jahre alt geworden. Sein erstes Halbjahr in der Bundesliga hat der Junge aus Bochum hinter sich, es lief eher unbefriedigend. Für das zweite hat er sich deshalb einiges vorgenommen, obwohl er parallel auch auf die Zielgerade zum Abitur eingebogen ist.

Fußballprofi und angehender Abiturient – das klingt unvereinbar. Wie bewältigen Sie das?

Leon Goretzka: Dazu gehören eine gute Selbsteinschätzung, eine gute Tagesplanung und die Unterstützung von Menschen, die mir helfen.

Wer hilft Ihnen?

Goretzka: Natürlich die Familie, die zu hundert Prozent hinter mir steht, aber auch meine Lehrerin und unser Trainerteam, die mit Feingefühl abstimmen müssen, was gerade wichtiger ist: Training oder Schule. Da greifen viele Räder ineinander.

Also ist der Alltag komplett durchorganisiert.

Goretzka: Jede Stunde ist verplant.

Wo bleibt da noch Lockerheit?

Goretzka: Es ist nicht leicht, aber man kann das alles schaffen. In der Schule habe ich ja auch nicht immer nur Stress.

Aber ergibt der sich nicht automatisch, wenn sich rund 300 Fehlstunden im Jahr anhäufen?

Goretzka: 300? Vielleicht sind es sogar noch mehr. Ich habe das bisher ganz gut hinbekommen, ich nehme mir gezielt auch Pausen, damit ich nicht auf beiden Seiten nur mit halber Kraft arbeite. Ich gehe zum Beispiel gerne ins Kino, da kann ich wunderbar abschalten. Aber es gibt auch Phasen, in denen ich denke, dass ich froh sein werde, wenn die Doppelbelastung vorbei ist.

Sind Mitschüler eigentlich eher stolz oder eher neidisch?

Goretzka: Es gibt schon einige, die neidisch schauen. Aber die, die mir in meiner Klasse seit Jahren nahe stehen, verstehen mich und sorgen dafür, dass ich mich wie ein normaler Schüler fühlen kann. Denen bin ich dafür sehr dankbar.

Und die Lehrer? Bringen die für Ihre Sonderrolle genügend Verständnis auf?

Goretzka: Zu 90 Prozent kann ich mich nicht beklagen. Die meisten sind erfreut, weil ich den Weg zum Abi gewählt habe, sie erkennen es an, dass ich einiges investiere. Und den einen oder anderen Spruch muss man auch mal aushalten können.

Schalkes Goretzka freut sich riesig auf Real Madrid 

Es kam für Sie nie in Frage, die Schule vorzeitig abzubrechen?

Goretzka: Nein, ich habe drei ältere Schwestern, die allesamt studieren, da will ich doch nicht das schwarze Schaf in der Familie sein. Außerdem glaube ich, dass mir mit dem Abi in der Tasche auch nach meiner Karriere noch viele Türen offen stehen.

Der Zwang zur Selbstdisziplin raubt Ihnen die Möglichkeit, auch mal wie andere Jugendliche über die Stränge schlagen zu können. Bedauern Sie das sehr?

Goretzka: Man muss Abstriche machen, aber was ich durch Fußball erlebe, erleben andere nicht, und das wiegt alles andere hundertprozentig auf.

In der vergangenen Saison haben Sie für den VfL Bochum gespielt und mitbekommen, dass Klubs wie Real Madrid und Bayern München an Ihnen interessiert waren. Wie bleibt man da in der Spur?

Goretzka: Wir haben gegen den Abstieg gespielt und mussten alles darauf fokussieren, diesen Traditionsverein in der Zweiten Liga zu halten. Ich hatte gar keine Zeit, um mich mit mir selbst zu befassen.

Vom Abstiegskampf der Zweiten Liga in die Champions League – sicher keine leichte Umstellung?

Goretzka: Ja, aber genau diesen Schritt wollte ich ja unbedingt gehen.

Es wäre verständlich, wenn Sie nervös wären, wenn Sie demnächst mit Schalke gegen Real spielen.

Goretzka: Nervös ist das falsche Wort. Angespannt, das ja. Aber vor allem herrscht doch riesige Vorfreude.

Es gibt ungeduldige Stimmen, die sagen: Leon Goretzka stagniert.

Goretzka: Ich konnte ja durch Verletzung und Krankheit tatsächlich noch nicht meine volle Leistung abrufen. Jetzt bin ich aber zuversichtlich.

Ihr ehemaliger Trainer Peter Neururer nannte Sie ein Jahrhunderttalent, und Schalkes Manager Horst Heldt hat kürzlich gesagt, er nehme jede Wette an, dass Sie ein herausragender Spieler in Europa werden. Erhöht er damit nicht den Druck noch mehr?

Goretzka: Ich lasse mich dadurch nicht unter Druck setzen. Für mich ist das vielmehr eine Motivation, dafür zu sorgen, dass er seine Wette gewinnt.