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Wie der 21-jährige Veit Alex als Frau die Model-Welt erobert

Wie der 21-jährige Veit Alex als Frau die Model-Welt erobert

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Androgynes Model Veit Alexander Foto: Fabian Strauch
Der Essener Veit Alex ist ein Mann, doch für seinen Beruf wird er regelmäßig zur Frau. Der 21-Jährige arbeitet seit zwei Jahren als androgynes Model.

Mülheim/Essen. 

Fast im Sekundentakt blitzt es, der Finger auf dem Auslöser wird immer schneller. Die Bewegungen des Models sitzen. Sie sind grazil, weich, feminin – passend zum gold-blauen Kleid und den High-Heels. Der Fotograf ist begeistert – von den langen Beinen, den blonden, gelockten Haaren, von allem. Dabei ist es gar keine Frau, die er da vor seiner Linse hat – sondern ein Mann, ein 21-Jähriger aus Essen. Es ist Veit Alex, ein androgynes Model, das als Frau die Model-Welt erobert.

Durch einen ungewöhnlichen Zufall zum Traumberuf

Zwei Jahre zurück: Veit Alex ist ein gewöhnlicher Schüler und besucht die Oberstufe eines Internats im Münsterland. Mit der Model-Welt hat er nicht viel zu tun – bis ihn ein Designer auf Facebook anschreibt und für ein Shooting anfragt. Der damals 19-Jährige sagt zu, ohne zu wissen, was auf ihn zukommt. „Aber ich wollte das mal ausprobieren“, erinnert er sich. Für ihn stellt sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht die Frage, ob er als Mann oder Frau vor der Kamera stehen wird.

Doch dann die große Überraschung: „Die Visagistin hat mich auf einmal gefragt, welchen Lidschatten wir nehmen sollen.“ Die Kleider in der Umkleide bestätigen seine Befürchtungen: Er soll als Frau fotografiert werden. Ein komisches Gefühl, sagt er, ein Rückzieher kommt für Veit Alex nach kurzer Überlegung dennoch nicht in Frage. Er macht mit.

Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut. „Als ich damals die Bilder gesehen habe, war ich absolut begeistert.“ Für ihn stand sofort fest: „Daraus muss ich mehr machen.“

Verwandlung vom Mann zur Frau dauert knapp zwei Stunden

Für das heutige Shooting im Rahmen eines großen Foto-Events ist Nicole Le diejenige, die aus Veit Alex eine Frau macht. Das Styling dauert knapp zwei Stunden – wie bei einem tyischen Frauenmodel eben auch. Immer wieder setzt die Visagistin den Pinsel an, versucht die weichen, femininen herauszuarbeiten. Veit Alex schaut immer wieder im Spiegel nach, kontrolliert jeden einzelnen Schritt. „Die Augen hast du wunderschön gemacht“, lobt er die Arbeit von Nicole. Dann geht es an die Haare. Damit sie voller wirken, werden ein paar Extensions eingearbeitet. Kein Muss, aber ein netter Effekt.

Die Verwandlung nimmt Formen an. Veit Alex gleicht immer mehr einer Frau – zumindest äußerlich. Denn: „Egal ob ich äußerlich ein Mann oder eine Frau bin, ich bleibe immer ich selbst.“ Ganz bewusst distanziert sich das Model deswegen auch von dem Wort „Rolle“. Schließlich steht er als Veit Alex vor der Kamera oder auf dem Laufsteg, und nicht als irgendeine erschaffene Kunstfigur. Das ist ihm wichtig.

Bilder in der Vogue und das Highlight der Riani-Show

Die ersten Bilder von Veit Alex kommen damals schon gut an. Schnell wird das Hobby zum Beruf. Agenturen und Kunden reißen sich um ihn, sehen in dem Schüler mehr als in anderen Models. Doch anfänglich behält er seinen Nebenjob für sich, nur seine engsten Freunde weiht er ein. Zu groß ist die Angst vor negativen Reaktionen seiner Mitschüler. Aber es dauert nicht lange, bis die ersten Bilder die Runde machen. „Ich habe mir aber umsonst Gedanken gemacht“, sagt er rückblickend.

Heutzutage könnte er seinen Beruf auch nicht mehr geheim halten. Fast täglich steht das Model mit den Maßen 87-67-88 vor der Kamera oder läuft über Deutschlands Catwalks. Bei der Fashion Week in Berlin durfte er das Finale der Riani-Show eröffnen – eine ganz besondere Ehre. Auch in der italienischen Vogue war Veit Alex schon zu sehen. „In der Branche braucht man immer etwas, was besonders ist“, weiß er. Und er ist besonders – liefert die Geschichte hinter dem Bild.

Schminke, Abendkleid und High-Heels – und trotzdem hetero

Veit Alex verschwindet kurz im Backstage Bereich. Als er zurückkommt, hat er die bourdeauxrote Hose, das weiße Hemd und den Cardigan gegen ein gold-blaues Designerkleid von der Designerin Saba Hilbert getauscht, anstatt derber Boots trägt er nun High-Heels. „Jetzt kann es losgehen“, sagt er. Sein Dekolleté ist nicht ausgefüllt, einen speziellen BH trägt er nicht. „Androgyn ist alles zwischen Mann und Frau“, erklärt er, weshalb er sich nicht komplett als Frau „verkleidet“ – außer der Kunde wünscht es so.

Vor der Kamera ist das androgyne Model in seinem Element. Er weiß, was er zu tun hat, wie er sich zu bewegen, wie er zu gucken hat. Sämtliche Posen und Ausdrücke sitzen. Wer es nicht weiß, würde denken, es sei eine Frau, die dort vor der Kamera steht. Aber es ist ein Mann. Einer, der auf Frauen steht – und manchmal eben selbst als eine vor der Kamera.