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Probe-Spieler bestiehlt eine ganze Fußball-Mannschaft

Probe-Spieler bestiehlt eine ganze Fußball-Mannschaft

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Foto: Imago
Ein dreister Betrüger hat bei einem Marler Kreisligisten Bargeld und einen Ehering erbeutet. Der Täter gab sich als Fußballspieler aus Essen aus.

Marl. 

„Einen schönen Abend“ hatte der Kreisliga-Torwart des TuS 05 Sinsen II noch gewünscht, als Probe-Spieler „Dennis“ angeblich zur Nachtschicht aufbrach. Den „Neuen“ sollte der Fußballer zum letzten Mal sehen. Denn „Dennis aus Essen“ hatte kein Interesse, künftig den Kreisligisten zu unterstützen. Er hatte es auf Bares abgesehen. Und sich dafür in den Worten von TuS-Trainer Adrian Cetera eine „Oscar-reife Vorstellung“ ausgedacht.

Als die Spieler nach dem Training am Dienstag in die Kabine gingen, war der Neue längst nicht mehr da. Genauso wie das Bargeld der Spieler und der Ehering eines Teamkollegen. „Dennis“ hatte sich aus dem Staub gemacht.

„Ich bin immer noch auf 180“, flucht Cetera am Freitag. „wenn ich eins nicht leiden kann, dann belogen und verarscht zu werden.“ Unter anonymer Nummer hatte der Spieler den TuS-Trainer angerufen, er wäre von Essen nach Recklinghausen gezogen, wolle mal zum Probe-Training kommen, nannte jemanden aus der Fußballszene, der ihn kennen würde – und den auch der TuS-Trainer kannte. „Kein Problem“, sagte Cetera deshalb, aber er solle seine richtige Handynummer mitbringen.

Täter erzählt aus seiner Landesliga-Zeit beim FC Kray

Dienstag auf dem Fußballplatz an der Schulstraße: Einige Spieler haben ihre Verletzungen auskuriert, in der Kabine ist es voller als sonst. „Es war alles sehr hektisch“, erinnert sich Cetera. Neben wem sich der Neue, circa 1,70 Meter groß, kurzgeschorene Haare, einen Ohrring am linken Ohr, hingesetzt habe, wusste später keiner mehr. Aber er hätte lange an seinen Stutzen herumgemacht, die Schuhe mehrmals ausgezogen.

Co-Trainer Ernst Raschowksi nimmt die Daten auf. Adresse, Handynummer, Name. Alles falsch, wie sich herausstellt. Auf dem Platz plaudert Cetera mit dem Neuen. Er habe früher in Haltern gespielt, auch in der Landesliga für Essen-Kray gekickt. „Das kam mir schon komisch vor“, sagt Cetera. Der FC Kray spielt in der Regionalliga-West, die Landesliga-Zeit ist ein paar Jahre her. Aber er nannte viele Namen von bekannten Fußballern aus der Umgebung und stellte in Aussicht, drei Spieler aus Recklinghausen für seinen künftigen Verein gewinnen zu können.

Noch keine Anzeige bei der Polizei erstattet

Drei Minuten vor Ende muss „Dennis“ los zur Arbeit – angeblich. Cetera gibt ihm den Schlüssel für die Kabine. Der TuS-Torwart läuft hinterher, weil er ein anderes Trikot braucht. In der Kabine steht „Dennis“ mit seiner Sporttasche. In ihr unentdeckt mehrere hundert Euro und ein Ehering.

„Seit ich fünf bin spiele ich Fußball“, sagt der TuS-Trainer, „aber so etwas ist mir noch nie zu Ohren gekommen.“ Besonders der Diebstahl des Eherings treffe ihn, ein Gegenstand von „emotionalem Wert“. Nach dem Training habe man noch lange zusammengesessen, sich geärgert, dass das man keinen Verdacht geschöpft und „Dennis“ allein in die Kabine gelassen habe.

Die Betroffenen in Marl haben noch keine Anzeige erstattet. Man müsse über das weitere Vorgehen sprechen, sagt Cetera. „Ich habe meinen Spielern gesagt, sie sollen jetzt keine Alleingänge machen.“

Neue Betrugsmasche in den unteren Ligen?

Ist der Fall aus Marl eine neue Betrugsmasche in den unteren Liegen? Beim Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) hört man von so einem Fall zum ersten Mal. Diebstähle beim Probetraining seien „eher sehr, sehr selten. Man kennt sich ja irgendwie untereinander. Die Fußballwelt ist doch klein“, sagt ein Sprecher. Auch der Recklinghauser Kreisvorsitzende Hans-Otto Matthey kann sich nur an einen ähnlichen Fall in letzter Zeit erinnern. „Vor einem Jahr ist mal ein Schiedsrichter im Dortmunder Raum beklaut worden, Sachschaden über 800 Euro.“ In der Kabine habe es einen Hintereingang gegeben, durch den der Täter in den abgeschlossenen Schiedsrichterraum gelangen konnte. Der Diebstahl in Marl erschüttert Matthey: „Das ist eine Unverschämtheit.“

Beim Fußballverband Niederrhein (FVN) ist eine derartige Betrugsmasche bislang nicht bekannt.

Man dürfe nun nicht alle über einen Kamm scheren, warnt der Kreisvorsitzende Matthey, „aber das zeigt, dass man nicht ganz so leichtsinnig, einem fremden Spieler den Schlüssel anvertrauen darf.“ Der Fall zeigt, dass auch in der Welt der Sportkameraden Vorsicht angesagt ist.