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NRW-Polizei sieht sich durch Gericht im Kampf gegen Rocker gestärkt

NRW-Polizei sieht sich durch Gericht gegen Rocker gestärkt

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Polizeirazzia am Vereinsheim der Rockergruppe Bandidos in Duisburg Foto: Archiv/Stephan Eickershoff
Rocker in NRW verfügen über Waffen, manche gar legal. Dies dürfte sich bald ändern. Die Polizei sieht sich durch ein Gericht gestärkt. Zu Unrecht?

Essen. 

Ihre Kutten dürfen sie seit einem guten halben Jahr in NRW nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen. So hat es der NRW-Innenminister im Juli vergangenen Jahres gegen bestimmte Rockergruppen verfügt. Nun sieht die Polizei in NRW neue Möglichkeiten, den Druck auf kriminelle Rockergruppen noch zu erhöhen: wer bei ihnen legal Waffen besitzt, dem könnte dieses Recht bald entzogen werden.

Die Grundlage lieferte in dieser Woche das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Im Revisionsverfahren von drei bayerischen „Bandidos“-Chefs erklärten die Richter, dass schon die bloße Zugehörigkeit zu einer kriminellen Rockergruppe den Behörden das Recht gibt, den Mitgliedern Waffenberechtigungen zu entziehen – ohne, dass sie sich konkret etwas zu Schulden haben kommen lassen.

GdP-NRW-Chef sieht „eine neue Gesetzeslage“

„Es gibt auch in NRW Rocker, die legal Waffen besitzen“, sagt Thomas Jungbluth, leitender Kriminaldirektor beim Landeskriminalamt NRW (LKA) und Experte.für kriminelle Rocker-Motorradgruppen. „Hierbei handelt es sich jedoch zumeist um erlaubnisfreie Waffen“, wie etwa Gas- oder Schreckschusspistolen. Dass Rocker künftig entwaffnet werden könnten, stärkt die Position der Polizei, meint der LKA-Experte: „Wir begrüßen die Entscheidung, weil sie deutlich macht, dass es Staat und Gesellschaft nicht wollen, dass solche Leute über Waffen verfügen“. Wie die Polizei konkret vorgehen wird, sei jedoch noch offen: „Man muss jetzt die schriftliche Begründung abwarten und dann auswerten“, sagt Jungbluth.

Für Arnold Plickert, NRW-Chef der Polizeigewerkschaft GdP, hat sich gar „eine neue Gesetzeslage ergeben“. Vorbehaltlich der schriftlichen Begründung der Richter geht auch Plickert davon aus, „dass wir den Druck auf kriminelle Rocker noch erhöhen werden“. Solche Rockergruppen, erläutert Plickert, „sind ein Schweigekartell“. Dass die Polizei oftmals selbst Rocker-Grillpartys oder Motorradausflüge mit Einsatzhundertschaften begleite, diene auch dazu, Informationen über Beteiligte zu sammeln. Plickert: „Wenn dort Rechtsverstöße begangen werden, dann gibt uns das die Möglichkeit, Personalien festzustellen“.

Derzeit schätzt die Polizei etwa 1500 Personen in den sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) in NRW, denen Gewaltbereitschaft und enge Verbindungen zum organisierten Verbrechen zugeschrieben werden. Die Zahl der dazu gezählten Gruppierungen ist steigend: Aktuell werden etwa 22 Chapter der Bandidos in NRW gezählt, etwa 13 Hells-Angels-Charter, Gremium kommt auf zehn Gruppen, Outlaw auf acht und Satudarah laut Polizei auf vier. Dass die Zahlen nicht genauer sind, liege am Kuttenverbot: das erschwere Rockern Machtdemonstrationen. „Es macht allerdings auch uns die Identifizierung schwerer“, gibt Jungbluth zu. Aus Polizeisicht sei das Kuttenverbot „dennoch zu begrüßen“.

Forscher kritisiert, Polizei ist auf dem Irrweg

Der Passauer-Rocker-Forscher und Jurist Florian Albrecht sieht die Polizei in punkto Waffenverbot unterdessen auf einem rechtsstaatlichen Irrweg: „Das Bundesverwaltungsgericht hat gar keine neue Rechtslage geschaffen“. Weil es, laut eigener Pressemitteilung, in dem Bandidos-Verfahren nur auf Rechtsfehler geprüft habe.

Die Kernfrage, ob Personen schon als „unzuverlässig“ zu gelten haben, wenn sie sich bloß in einem bestimmten Milieu bewegen, habe das Gericht nicht selbst bewertet. „Es hat bloß übernommen, was die Vorinstanz, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, im Jahr 2013 dazu festgestellt hatte“, kritisiert Albrecht. Dessen Begründung fußt unter anderem auf Definitionen der Online-Enzyklopädie Wikipedia und Einschätzungen des bayerischen Verfassungsschutzes. Albrechts Gegenargument: „Rockerclubs fallen nicht in allen Bundesländern gleich negativ auf“. Sein Fazit: Entziehen Behörden Rockern jetzt Waffen und wehrten sich Betroffene vor Gericht, könne man davon ausgehen, dass „unterschiedliche rechtliche Einschätzungen anderer Gerichte“ vom Bundesverwaltungsgericht später „gleichermaßen unbeanstandet bleiben“.

Ohnehin ist fraglich, inwieweit der Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse die Polizei im Kampf gegen Rocker in NRW tatsächlich stärken würde: „Rocker verfügen über Waffen, aber nicht legal“, sagt LKA-Experte Thomas Jungbluth: „Bei Razzien etwa bei Satudarah wurden in der Vergangenheit durch die Polizei Sturmgewehre und Handgranaten sicher gestellt“. Jungbluth: „Solche Waffen sind in Deutschland legal gar nicht erhältlich“.