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Warum die Rocker vor Gericht ihr Schweigen brechen könnten

Warum die Rocker vor Gericht ihr Schweigen brechen könnten

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Baris T. (Foto Mitte) und Yildiray K., besser bekannt unter seinem Namen " Ali Osman ", müssen sich vor Gericht verantworten. Foto: Stephan Eickershoff / WAZ FotoPool
In Duisburg stehen zwei hochrangige Mitglieder der Rockergruppe „Satudarah“ vor Gericht. Die Anklage umfasst 21 Punkte, es geht um scharfe Waffen, Kokain und Marihuana – satte 21 Kilo. Als Höchststrafe stehen 15 Jahre Haft im Raum. Für einen Deal zum Strafmaß müssten die Angeklagten ein glaubhaftes Geständnis ablegen. Das aber gilt unter Rockern als Todsünde.

Duisburg. 

Es geht um Drogen und Waffen – um stolze 21 Kilo Marihuana und 800 Gramm Kokain, die ebenso wie Kalaschnikow-Sturmgewehre und Scorpion-MPs von den Niederlanden aus nach Deutschland geschmuggelt wurden. Mit einer dieser Waffen soll nachts auf einen Kiosk im Stadtteil Beeck geschossen worden sein, vorm „Hells Angels“-Clubheim in Rheinhausen detonierte eine Handgranate. Yldiray K. (38) und Baris T. (25) sagen dazu nichts. Der frühere Deutschland-Chef des Rockerklubs Satudarah und sein einstiger Vorstandskollege sitzen im Landgericht Duisburg auf der Anklagebank. Sie schweigen.

Die Rocker waren im April 2013 bei einer großangelegten Razzia verhaftet worden. Beide gelten als Szenegrößen, nun drohen ihnen zwischen zwei und 15 Jahren Haft. Die Anklage umfasst 21 Punkte. Eine Überraschung: Die Verteidiger kündigten an, mit Richtern und Staatsanwaltschaft über eine Begrenzung der Höchststrafe reden zu wollen. Damit so ein „Deal“ zustande kommt, müssten freilich auch die Angeklagten reden, sprich: ein glaubhaftes Geständnis ablegen. Das aber gilt unter Rockern als Todsünde. Mit Polizei und Justiz spricht man nicht, eigentlich nicht – und schon gar nicht belastet man seine Kumpane.

Das hat aber offenbar schon jemand Anderes getan: Dem Vernehmen nach hatte die Polizei bereits früh einen Informanten in den Reihen der Satudarah-Rocker. Die Aussagen des Mannes könnten während des Prozesses einen Einblick in das kriminelle Treiben von Satudarah & Co. geben. Zunächst sind drei weitere Verhandlungstage angesetzt.

Der alte Kodex gerät ins Wanken

Laut Adi Plickert, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, haben sich die Zeiten für Rocker geändert: „Bis vor zwei Jahren haben die mit uns überhaupt nicht gesprochen – selbst dann nicht, wenn sie bei einem Angriff von ihrer Konkurrenz schwer verletzt worden waren.“ Mittlerweile gebe es zumindest in Einzelfällen die Chance, dass sich Rocker der Polizei offenbaren, denn die Szene sei in Bewegung. Mit jungen Migranten dränge eine neue Klientel in die Klubs, der alte Kodex gerate in Wanken, es gebe früher nicht für möglich gehaltene Vereinswechsel. Zudem, so Plickert weiter, übe die Polizei konsequent Druck auf die Banden aus. Sie mache sich bei Kontrollen ein immer besseres Bild über Klubs und Personal.

An der Gefährlichkeit der Szene hat sich nach Einschätzung von Ermittlern nichts geändert. Die Angeklagten wurden von mit Maschinenpistolen bewaffneten Spezialkräften ins Gericht gebracht. Rund ums Gebäude bezogen Bereitschaftspolizisten Stellung. Die Beamten überwachten dabei auch das von der Stadt erlassene Kuttenverbot. Im Umfeld des Gerichtes dürfen Rocker an Verhandlungstagen ihre Symbole nicht zeigen. Sie sollen nicht durch Machtdemonstrationen Zeugen einschüchtern.

Die meisten Rocker hielten sich an das Verbot, das auch im Gerichtsgebäude selbst gilt. Etwa 20 Satudarah-Anhänger verfolgten dort in Zivil den Verhandlungstag. Bei Kontrollen draußen entdeckte die Polizei drei Kutten. Zudem sammelten die Beamten ein Transparent ein, das jemand am Baugerüst der benachbarten Kirche anbringen wollte. Die Anregung zum Kuttenverbot stammt von der Polizei. Hintergrund: Vor wenigen Wochen hatten sich Hells-Angels-Rocker daneben benommen.