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Warum mächtige Männer auf wahllosen Sex stehen

Warum mächtige Männer auf wahllosen Sex stehen

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Foto: AFP

Essen. 

„Männer“, schreibt der Hamburger Autor Hauke Brost, „lassen sich am ehesten mit einem Hund vergleichen: absolut triebgesteuert, aber lernfähig. Und so leicht zu durchschauen wie ein Mops vor der Wurst“. Das Zitat aus dem Bestseller „Wie Männer ticken“ klingt lustiger, als es ist.

In minder schwerem Fall steht ein triebgesteuerter Arnold Schwarzenegger vor den Trümmern seiner Ehe, weil er die Finger nicht von der eigenen Hausdame lassen konnte. Schwerstenfalls landet man(n) als Opfer seiner Triebe in einer kargen Zelle, landet wie Dominique Strauss-Kahn auf der Gefängnisinsel Rikers Island, an deren Pforte er mit der Macht auch sein Charisma abgegeben zu haben scheint. Unrasiert, deprimiert, fassungslos wirkt der einst so einflussreiche IWF-Chef wie das, was er nun ist – ein alter Mann von 62 Jahren, beschuldigt wegen Vergewaltigung.

Das Fremdgeh-Gen ist erwiesen

Männer und wahlloser Sex, ob erzwungen oder einvernehmlich, gehen evolutionsgeschichtlich eine enge Verbindung ein. Zwar muss der Mann heute nicht mehr wie der primitive Vorfahre um der Erhaltung der Art willen mit möglichst vielen Partnerinnen möglichst weit die Gene streuen, doch das „Fremdgeh“-Gen blieb erhalten, wurde erst kürzlich von Biologen der Universität New York identifiziert und ist um ein Vielfaches häufiger bei Männern zu finden als bei Frauen.

Laut Weltgesundheitsorganisation denken Männer im Durchschnitt etwa alle acht Minuten direkt oder indirekt an Sex, in Schach halten lassen sich die allermeisten durch das, was wir „gesellschaftlichen Überbau“ nennen: Wir gehorchen einer bestimmten Moral, gehören einer Glaubensrichtung an, lernen Partner kennen und lieben, haben Verantwortung für Kinder, feiern die Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Doch so ganz lassen sie sich nicht unterdrücken, die Triebe, die den Mann zum Mann machen, nicht umsonst zelebrieren die Jugendlichen von heute einen neuen Körperkult, um sich bei McFit & Co. jene breite Brust anzutrainieren, die sie fit macht im Konkurrenzkampf um das andere Geschlecht.

Macht macht sexy

Was bei ihnen legitim ist, mutet bei den mächtigen, alten Frauenhelden befremdlich an. Dutzende von ihnen, eigentlich ob ihrer Funktion auch moralische Instanz, sind bereits über ihre Libido gestolpert. Gefallen sind bisher nur wenige. „Macht macht sexy“ hat der Ex-US-Außenminister Henry Kissinger gesagt. Kaum vorstellbar, dass Ex-US-Präsident Bill Clinton als in die Jahre gekommener Verwaltungsangestellter die Praktikantin Monica Lewinsky hätte verführen können. Das Amtsenthebungsverfahren überstand er ebenso unbeschadet, wie er die Zuneigung der US-Bürger trotz öffentlicher TV-Lügen retten konnte. Seine Frau blieb an seiner Seite. Bis zu seinem Prozess wegen Vergewaltigung zelebrierte Jörg Kachelmann das Image des charmanten Schwerenöters, Horst Seehofer hat man die außereheliche Affäre mit einer sehr jungen Frau ebenso verziehen wie Silvio Berlusconi die „Bunga Bunga“-Partys mit minderjährigen Prostituierten, wegen denen er vor Gericht steht. Eine Verurteilung ist höchst ungewiss.

I

n der Öffentlichkeit werden die meisten Verfehlungen der Amts- und Würdenträger etwa so behandelt, als seien es Jungen, die mal über die Stränge schlagen. Auch im Falle von Strauss-Kahn ging das lange gut, die französische Presse prägte trotz unappetitlicher Gerüchte das Bild des Finanzfachmanns als charismatischen, stilsicheren Casanova mit ausgeprägtem Hang zum „schwachen Geschlecht“.

Um so tiefer der Fall. Warum macht sich jemand, der alles hat, quasi zwischen zwei staatstragenden Terminen ausgerechnet an ein Zimmermädchen heran?

Der Magdeburger Politik-Psychologe Dr. Thomas Kliche erklärt das in einem Interview mit der „Basler Zeitung“ mit einer „unguten Mischung aus: Persönlichkeitszügen, Verwahrlosung, armseliger Bedürftigkeit“.

Gefühle von Großartigkeit

Mächtige kämen in Positionen, weil sie ehrgeizig seien, also eine „starke narzisstische Selbstbesetzung“ mitbrächten. Diese rücksichtslose Persönlichkeitsstruktur, der Narzissmus, vermittele Gefühle von Großartigkeit, Unwiderstehlichkeit, Größenfantasien. Die „Verwahrlosung“ trete ein, wenn die Mächtigen erleben, wie leicht sie sich durchsetzen können und wie wenig ihnen ihre Umgebung Widerstand entgegensetzt.

Mächtige, so Kliche, seien von Mitläufern umgeben, haben Jobs, die ihnen menschliche Grundbedürfnisse versagen – Zärtlichkeit, Offenheit, Emotionen. An deren Stelle trete das Selbstbild als „potente Kerle“, die jede körperliche Aufregung als Lust interpretieren.

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