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Raucher Adolfs bangt weiter um seine Wohnung

Raucher Adolfs bangt weiter um seine Wohnung

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Foto: Jakob Studnar
Der 77-jährige Raucher Friedhelm Adolfs aus Düsseldorf kämpft seit drei Jahren gegen den Rauswurf aus seiner kleinen Wohnung. Jetzt sagten zwölf Zeugen vor Gericht aus.

Düsseldorf. 

Friedhelm Adolfs zündet sich eine Selbstgestopfte auf dem Gerichtsvorplatz an, nimmt einen tiefen Zug und lässt den Qualm langsam durch sein graues Bärtchen ziehen. Dreieinhalb Stunden hat er in Saal 2119 zugehört, keinen Ton gesagt, obwohl es um ihn ging. Mal wieder. Entscheidung am 2. März. Frühestens.

Der alte Mann lächelt vorsichtig in ein paar Kameras, Öffentlichkeit ist für den 77-Jährigen ein Stück Routine geworden: Seit drei Jahren kämpft der Witwer gegen seinen Rauswurf aus einer kleiner Wohnung im Düsseldorfer Zooviertel, in der er seit 42 Jahren wohnt, im Haus, in dem er 35 Jahre als Hausmeister gearbeitet hat. Die Rente reicht nur fürs Nötigste. Seit Januar 2013 macht er sich immer wieder schick fürs Gericht: schwarzer Mantel, schwarzer Hut, grauer Anzug, rot gestreifte Krawatte.

Vorwurf der Vermieterin: Er lüfte zu selten

Friedhelm Adolfs ist der Raucher, auf den auch Deutschlands Nichtraucher seit 2013 mit größtem Interesse blicken. Denn seit ihm die mittlerweile 88-jährige Hausbesitzerin seine 42 Quadratmeter im Souterrain fristlos gekündigt hat, weil er zu selten lüfte, sein Zigarettenqualm ins Haus ziehe und für die anderen Mieter – durchweg Unternehmen mit Büros – unzumutbar sei, hat der Fall grundsätzlichen Charakter gewonnen: Was, wenn es gelingt, einen Raucher aus seiner Wohnung zu feuern? Wer wird dann als nächster klagen? Was heißt das für andere Gerüche im Haus?

20 Zigaretten qualme er täglich, hat Friedhelm Adolfs einmal auf die entsprechende Frage geantwortet. Sein Lächeln deutete darauf hin, dass es auch 21 sein können.

Zwei Instanzen gaben der Vermieterin Recht

Zwei Instanzen gaben der Vermieterin Recht, Tenor: Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Nachbarn hat Vorrang vor dem Recht des Rauchers auf freie, persönliche Entfaltung. Zarte Kompromissversuche der Richter scheiterten: Obwohl Adolfs mit einer Zusatzschiene unter seiner Wohnungstür guten Willen zeigte und sein Anwalt Martin Lauppe-Assmann versprach, sein Mandant werde „noch mehr lüften“, blieb die Gegenseite beharrlich. „Hier sind die Fronten völlig verhärtet, eine Einigung ist nicht mehr möglich“, sagt Lauppe-Assmann.

Der Bundesgerichtshof allerdings kassierte das Urteil vor einem knappen Jahr und verpasste den Richtern eine Backpfeife: Die hätten sich um eine umfangreiche Beweisaufnahme gedrückt. Alles von vorn also. Nur: Wer weiß noch genau, wie es 2012 in einem Treppenhaus roch? „Damit ist doch jeder Mensch überfordert“, sagt Lauppe-Assmann. „Und was man als Belästigung empfindet, ist ja subjektiv.“

So ist das wohl, denn die zwölf Zeugen, die die Zivilkammer an diesem Vormittag vernimmt, kommen nicht ganz überraschend zu unterschiedlichen Einschätzungen über den Rauch im Treppenhaus.

Im letzten halben Jahr ist es besser geworden

„Das ist ekelhaft, widerlich, wie Körperverletzung“, schimpft ein Immobilienmakler (63), der auch schon mal für die Hausbesitzerin tätig wird und sein Büro in der vierten Etage hat. Allerdings räumt selbst er ein, dass es „im letzten halben Jahr besser geworden ist“. Das beteuern auch andere.

Adolfs’ Freunde und Verwandte, mit einer Ausnahme Raucher, schwören zwar nicht gerade, dass es vor dessen Wohnungstüre wie in der Parfümerie dufte. Aber dass es nach Rauch im Haus gestunken habe, wollen sie nicht festgestellt haben. Eher nach Müll und feuchtem Muff aus dem Keller oder Öl nach einer frischen Lieferung. Außerdem habe Adolfs sein Fenster stets auf Kipp und die Rollos nur unten, wenn er nicht daheim sei.

Sein Nachfolger als Hausmeister (49), mittlerweile auch schon wieder geschasst, berichtet von „anderen Rauchern im Haus“. Kunden, Mandanten, Angestellte, die, vor allem bei Regen, im Türrahmen gestanden hätten. Ein Geschenk für Lauppe-Assmann, der darauf abhebt, dass Rauchgestank, sofern es ihn überhaupt gegeben habe, nicht zwangsläufig von Adolfs stamme: „Wir müssen nichts beweisen, man muss es uns beweisen.“

Draußen nimmt Adolfs Brigitta Gerard (68) vorsichtig bei der Hand. Die beiden sind ein Paar, früher war sie mit seinem mittlerweile verstorbenen Bruder liiert. „Die sollen den alten Mann doch endlich in Ruhe lassen“, sagt sie. Bis 2. März müssen sie und er sich allerdings noch gedulden. Mindestens.