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NRW-SPD liebäugelt mit „G8 Flexi“

NRW-SPD liebäugelt mit „G8 Flexi“

Düsseldorf. 

Als Eva-Maria Voigt-Küppers, eine der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, im August 2015 öffentlich über einen „Plan B“ zum ungeliebten „Turbo-Abitur“ nachdachte, brach in Düsseldorf ein parteiinternes Sommertheater los. Voigt­-Küppers hatte gewagt, Wahlmöglichkeiten zwischen acht und neun gymnasialen Jahren ins Gespräch zu bringen und ein „G 8,5“ nicht auszuschließen.

Fraktionschef Norbert Römer, ein enger Vertrauter von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), pfiff seine Kollegin damals rüde zurück: „Es gibt in der SPD-Landtagsfraktion weder Pläne noch Beschlüsse, das Abitur nach acht Jahren infrage zu stellen oder gar abzuschaffen.“ In der Fraktionsspitze wurde lamentiert, Voigt-Küppers sei wahlweise von Journalisten missverstanden oder gar „aufs Glatteis geführt“ worden.

Wie sehr sich der Umgang der SPD mit dem Thema „Turbo-Abitur“ seither gewandelt hat, war zu Wochenbeginn zu beobachten. Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) bezeichnete die verkürzte Schulzeit vor Jugendlichen in Herne als „Versündigung“ an der jungen Generation und ermunterte ganz unpräsidial dazu, „Scheiße zu nennen, was Scheiße ist“. Gödecke stand anderntags zu ihren deftigen Zitaten – und wurde von niemandem aus der Partei zu Ordnung gerufen.

Schulstrukturdebatte neu eröffnet

Längst gilt es als ausgemacht, dass die Sozialdemokraten beim Landesparteitag am 24. September in Bochum eine Kehrtwende in Sachen „G8“ einleiten werden. Die Parteispitze will auf Drängen der Basis einen Leitantrag formulieren, der die Schulstrukturdebatte in NRW neu eröffnet. Mehrere SPD-Unterbezirke fordern eine Art „G8 Flexi“, damit auch an Gymnasien Schüler in unterschiedlicher Geschwindigkeit den Weg zum Abitur nehmen können.

Als Blaupause könnte ein Parteitagsantrag der Kölner SPD dienen: Die Sekundarstufe I an Gymnasien soll wieder auf sechs Jahre erweitert und die Sekundarstufe II dafür je nach Leistungsvermögen des Schülers flexibilisiert werden. Problem: Die Kultusminister-Konferenz hat 2008 festgelegt, dass die Oberstufe drei Schuljahre umfassen muss.

Eltern sehen Turbo-Abi kritisch

Ministerpräsidentin Kraft hatte noch in den Sommerferien Reformen abgelehnt und auf die Verbesserungsvorschläge eines „Runden Tisches“ von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) verwiesen. „Wir sollten die Wirkung der Maßnahmen abwarten und nicht schon wieder neue Strukturdebatten führen“, stellte Kraft klar. Löhrmann hatte mehrfach Interessengruppen wie Eltern- und Lehrervertretungen eingeladen und Ende 2014 verschiedene Maßnahmen wie weniger Hausaufgaben, Nachmittagsunterricht und Lernstoff festgelegt. Am Modell „G8“ sollte jedoch nicht gerüttelt werden. Die grüne Schulministerin hatte 2010 den Schulen die G9-Rückkehr freigestellt. Nur 13 von 628 Gymnasien entschieden sich damals dafür.

Um das Regierungs-Duo Kraft/Löhrmann scheint es bei diesem Thema jedoch einsam zu werden. Mit der Landeselternschaft der Gymnasien hat eine entscheidende Interessenvertretung dem „Turbo-Abitur“ die Loyalität aufgekündigt. Selbst die einst glühendsten Befürworter der NRW-FDP sind in den vergangenen Monaten von der Schulzeitverkürzung abgerückt. Neben der Problemthemen Wirtschaftswachstum und Innere Sicherheit muss Rot-Grün plötzlich einen Schul-Wahlkampf fürchten.#

In der SPD werben deshalb viele für ein „G8 Flexi“, selbst wenn sich daran unbeantwortete Fragen knüpfen: Wie viele zusätzliche Lehrer würden benötigt? Wie groß würde der organisatorische Aufwand? Wie würden Eltern und Schüler reagieren?