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Jeder dritte ausländische Arzt in NRW spricht kaum Deutsch

Jeder dritte ausländische Arzt in NRW spricht kaum Deutsch

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Operation in Klinik Foto: dpa
Immer mehr Kliniken in NRW sind auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen – deren Deutschkenntnisse sind jedoch oft mangelhaft. Das birgt Gefahren.

Münster/Düsseldorf. 

Viele aus dem Ausland zugewanderte Krankenhausärzte haben offenbar erhebliche Probleme mit der deutschen Sprache. Im Schnitt bestanden bisher 35 bis 40 Prozent der Mediziner die im Jahr 2014 in NRW eingeführten „Fachsprachenprüfungen“ nicht. Diese Zahlen nannten die Ärztekammern Westfalen-Lippe und Nordrhein auf WAZ-Nachfrage. Inzwischen hat jeder vierte Arzt in NRW keinen deutschen Pass.

Im vergangenen Jahr führte die Kammer Westfalen-Lippe 501 Sprach-Prüfungen mit ausländischen Ärzten durch. „Etwa ein Drittel kam gut durch, ein Drittel nur mit Anstrengungen, ein Drittel gar nicht“, sagte Kammer-Sprecher Volker Heiliger. Durchfallquoten von 40 Prozent gibt es auch in Rheinland-Pfalz. Um den Arztberuf an Rhein und Ruhr ausüben zu können, müssen Mediziner die Sprachprüfung bestehen. Sie kann unbegrenzt wiederholt werden.

„Sprach-Check vor Arbeitsvertrag“

Der Chef des Marburger Bundes und Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, findet die Ergebnisse bedenklich. Er bemängelt, dass viele Kliniken zwar aktiv Mediziner im Ausland anwerben, sich aber „anschließend nicht oder nur wenig um die sprachliche Ausbildung kümmern.“ Alle Kliniken sollten zunächst einen Sprach-Check machen, bevor sie Bewerbern einen Arbeitsvertrag anbieten. Es reiche nicht, „sich im Alltag einigermaßen auf Deutsch ausdrücken zu können. Man darf erwarten, dass Patienten auf Ärzte treffen, die der deutschen Sprache mächtig sind.“

Die deutschen Gesundheitsminister haben sich zwar auf ein gemeinsames Verfahren zur Überprüfung der medizinischen Fachsprache geeinigt. Aber nur wenige Länder – darunter Rheinland-Pfalz und NRW – haben diese Ziele bisher umgesetzt.

„Fragwürdige Arbeitsteilungen“

Die fehlenden Sprachkenntnisse vieler Ärzte führen Henke zufolge nicht nur im Dialog mit den Patienten zu schwierigen Situationen. Manche Kliniken experimentierten mit fragwürdigen Arbeitsteilungen: „Die Muttersprachler sind für die Bürokratie zuständig, die zugewanderten Ärzte operieren. Aber das kann nicht funktionieren und schafft Unfrieden.“

Manuela Anacker, Referentin des Sozialverbandes VdK und Sprecherin des PatientInnennetzwerks NRW: „Ältere Patienten berichten uns davon, dass sie es als belastend empfinden, wenn es eine Sprachbarriere zwischen Arzt und Patient gibt.“

60 Minuten dauert die „Fachsprachenprüfung“ bei den Ärztekammern Westfalen-Lippe und Nordrhein. Im Mittelpunkt stehen Situationen aus dem Krankenhausalltag: Ein Gespräch zwischen Arzt und Patient, die schriftliche Zusammenfassung dieses Gesprächs und ein Informationsaustausch mit einem weiteren Arzt. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe hat festgestellt, dass es dabei zuweilen zu haarsträubenden Verwechslungen kommt: „Aus dem gehörten ,Bauchspeicheldrüdenkrebs’ wird auf dem Notizblatt der ,Bauchkrebs’ und im Dokumentationsbogen ein ,Magenkarzinom“. Ein Patient erzählt von „Hodenkrebs“, der Prüfling versteht aber „Morbus Hodgkin“ – eine andere Krebserkrankung.

Verbindliche Standards gefordert

Eigentlich, sagt Marburger-Bund-Chef Rudolf Henke, „sollten Bewerber schon vor der Einreise nach Deutschland gute Sprachkenntnisse nachweisen müssen.“ In den USA werde ja auch darauf geachtet, dass zuwandernde Ärzte gut Englisch sprechen. „Wir brauchen auch verbindliche Standards bei der Anerkennung von Sprachkenntnissen. Es darf nicht jedes x-beliebige Zertifikat anerkannt werden“, so Henke.

Beobachter bemängeln, dass es bisher nicht für alle Kliniken selbstverständlich sei, sich um die Sprachkenntnisse ihrer im Ausland angeworbenen Ärzte intensiv zu kümmern. Und viele Migranten stellen erst vor Ort fest, dass umgangssprachliche Kenntnisse nicht ausreichen.

Jeder vierte Arzt mit ausländischem Pass

Die ausländischen Mediziner füllen in Deutschland jene Lücken, die durch die Abwanderung zahlreicher deutscher Ärzte ins Ausland entstehen. Ohne die vielen zugewanderten Mediziner wäre die Krankenversorgung in den Kliniken längst zusammengebrochen. Im Kammerbereich Nordrhein arbeiteten Ende 2014 insgesamt 3898 ausländische Ärzte – ein Plus von 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bundesweit waren es sogar 11,1 Prozent mehr. In Westfalen gab es Ende 2014 insgesamt 5029 berufstätige ausländische Mediziner. Inzwischen hat jeder vierte Krankenhausarzt in NRW keinen deutschen Pass. Viele dieser Mediziner stammen aus Rumänien, Griechenland, Polen, zuletzt kamen mehrere hundert Ärzte aus Syrien und Ägypten nach Deutschland.