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Gefährliche „Reichsbürger“

Gefährliche „Reichsbürger“

Berlin. 

Es ist kurz nach sechs Uhr morgens, als Polizisten des Sondereinsatzkommandos die Wohnung eines 49 Jahre alten Mannes im mittelfränkischen Georgensgmünd stürmen. Noch bevor Polizisten die Tür an der Treppe öffnen können, fallen Schüsse. „Er hat sofort geschossen“, sagt die Polizistin. Die Beamten feuern zurück.

Vier Polizisten werden verletzt, einer von ihnen schwebte am Abend in Lebensgefahr. Die Einsatzkräfte können den Angreifer überwinden. Der deutsche Staat liefert sich an diesem Mittwoch ein Gefecht mit einem Mann, der die Bundesrepublik hasst, ihre Gesetze nicht akzeptiert. Der sich „Reichsbürger“ nennt.

In ihrer Vorstellung leben sie im Deutschen Reich der Grenzen von 1937. Die Bundesrepublik nennen sie eine „GmbH“, eine Firma, interessiert nur am Profit. Nicht am „Volk“. Ihre eigenen Organisationen nennen die Radikalen „Exilregierung Deutsches Reich“ oder „Republik Freies Deutschland“. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnt, „Reichsbürger“ als „Spinner“ abzutun. Sie seien zu brutaler Gewalt fähig.

Die Bundesregierung listet auch Straftaten, die auf Kosten von „Reichsbürgern“ gehen: vor allem Beleidigungen und Urkundenfälschung, aber auch Körperverletzung und Verstöße gegen das Waffengesetz. „Die Bewegung wird stärker, sie expandiert“, sagt ein Verfassungsschützer dieser Redaktion.

Die „Reichsbürger“ seien Teil moderner rechtsextremer Widerstandsbewegungen, erklärt Jan Rathje von der antirassistischen Amadeu Antonio Stiftung. „Kern ihrer demokratiefeindlichen Ideologie ist die Auffassung, dass die Bundesrepublik in Wirklichkeit eine Verschwörung gegen ‚die Deutschen‘ darstellt.“ Sie werben für eigene Pässe, sie haben eine „Reichsmeldestelle“ oder eine „Königliche Reichsbank“. Viele weigern sich, Steuern zu zahlen oder Behördenauflagen zu folgen.

„Was belustigend klingt, ist gefährlich“, sagt Experte Rathje. Er wirft den Sicherheitsbehörden vor, die Gefahr durch die Bewegung unterschätzt zu haben. Im aktuellen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz tauchen sie nicht auf. Die Szene sei „zersplittert und vielschichtig“, heißt es. Das Innenministerium geht von „einer niedrigen dreistelligen Zahl aus“.

Der aktuelle Fall zeigt die Radikalität: Der Mann aus Georgensgmünd hatte einen Waffenschein, war Jäger. Er soll mehr als 30 Waffen besitzen. Doch zuletzt hatte der Landrat vor Ort Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Mannes. Das Amt entzog dem Mann seinen Waffenschein. Doch Beamten verwehrte er mehrfach Zutritt zu seiner Wohnung, als diese die Waffen sicherstellen wollten, heißt es. Der Landrat bat die Polizei um Hilfe. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen den Mann wegen versuchten Mordes.