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Biedenkopf erklärt Kohls  Euro-Konzept für  gescheitert

Kurt Biedenkopf hält Kohls Euro-Konzept für gescheitert

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Die Euro-Krise bedroht nicht nur die Stabilität unseres Geldes, sie bedroht auch das Lebenswerk von Altkanzler Helmut Kohl. Dass der bei der Währungsunion Fehler machte, gilt heute als unbestritten. Welche, erzählt sein langjähriger Gegner Kurt Biedenkopf – ein Interview mit einem Euro-Skeptiker der ersten Stunde

Düsseldorf. 

Kurt Biedenkopf war sächsischer Ministerpräsident und CDU-Landeschef in NRW – und er gilt als langjähriger Gegner von Helmut Kohl.

Nun weist der Professor dem ehemaligen Kanzler Helmut Kohl (CDU) die Hauptverantwortung für die spätere Euro-Krise zu.

In seinem Buch „Helmut Kohl“ beschreibt der Historiker Hans-Peter-Schwarz die Rolle Kohls bei der Einführung des Euros. Hat Kohl die Probleme unterschätzt, den Euro krisenfest zu machen?

Kurt Biedenkopf: Kohl hat die Möglichkeit überschätzt, den Euro ohne eine „Wirtschaftsregierung“, das heißt, eine unabhängige europäische Institution, einzuführen, die berechtigt ist, das fiskalische Verhalten der Eurostaaten zu kontrollieren und so eine Überschuldung der Eurostaaten zu verhindern. Er hatte diese Institution bis Sommer 1997 selbst gefordert. Ohne sie, so Kohl, mache die Währungsunion keinen Sinn. Er hat später auf sie verzichtet. Offenbar glaubte er, man könne das Projekt nicht verschieben, ohne es zu gefährden. Die heutige Krise hat ihre Ursache im Wesentlichen darin, dass es keine wirksame Kontrolle der Eurostaaten gab, die sie an Überschuldung hinderte.

Wird Helmut Kohl zur tragischen Größe, wenn der Euro, den er mit eingeführt hat, jetzt scheitern sollte?

Helmut KohlBiedenkopf: Kohls großes Verdienst bleibt die Gestaltung der Wiedervereinigung, die nach der erfolgreichen friedlichen Revolution der Ostdeutschen möglich wurde. Sein Euro-Konzept ist wegen der heute unbestrittenen Konstruktionsfehler gescheitert. Eine tragische Größe ist damit nicht verbunden.

Sie gelten als Kritiker des damaligen Kanzlers. Haben Sie Kohl vor den Risiken des Euro gewarnt?

Biedenkopf: Sachsen hat dem damaligen Beschluss, den Euro einzuführen, im Bundesrat die Zustimmung verweigert. Die Bedenken, die uns dazu veranlasst haben, wurden von der Wissenschaft geteilt. Sie konnten sich nicht gegen die Befürworter durchsetzen. Zu ihnen gehörten neben der breiten Unterstützung im Bundestag und im Bundesrat auch die Wirtschaft und die Banken. Die Bevölkerung selbst hatte – wie sich zeigte zu Recht – kein gutes Gefühl.

Hätte Kohl die Einführung des Euro zunächst auf ein Kern-Europa begrenzen müssen?

Biedenkopf: Die Möglichkeit wurde diskutiert, erwies sich aber als undurchführbar. Denn auch Italien und Belgien, die zu den Gründungsmitgliedern der EU gehören, erfüllten nicht die Kriterien für die Aufnahme in die Währungsunion. Man hätte sie aber nicht ausschließen können, ohne Kerneuropa zu gefährden. Eine Verschiebung des Beginns des Euro gelang ebenfalls nicht. Dafür hatte ich mich eingesetzt.

Wagen Sie eine Prognose für die Zukunft des Euro?

Biedenkopf: Der Euro wird nicht scheitern, weil er nicht scheitern darf. Denn die Folgen wären auch für Deutschland unabsehbar. Man kann nicht aus einer gemeinsamen Währung einfach aussteigen. Also bleibt der Euro. Aber die Kosten seiner dauerhaften Sicherung werden hoch sein. Für Deutschland werden sie sich gleichwohl lohnen. Denn die Rückkehr zur D-Mark ist keine realistische Alternative. Sie wäre mit weitaus höheren und dauerhaften Nachteilen verbunden.