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Bascha Mika schimpft über „Die Feigheit der Frauen“

Bascha Mika schimpft über die Feigheit der Frauen

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Foto: imago stock&people

Essen. 

Bascha Mika rechnet in ihrem Buch „Die Feigheit der Frauen“ mit Müttern im Besonderen und Frauen im Allgemeinen ab. Bitterbös, manchmal treffend, immer aber mit viel zu viel Schaum vor dem Mund.

Mütter trinken den ganzen Tag Latte Macchiato. Mütter ziehen sich in die Komfortzone von Heim und Herd zurück. Mütter leben ihre Machtgelüste durch die Karrieren ihrer Männer aus. Mütter sind offenbar zu doof, die Scheidungs-Statistiken zu lesen. Frauen, die noch keine Mütter sind, ziehen kurze Röcke an und werfen Bambi-Blicke in die Welt – mutmaßlich, um sich alsbald zur Mutter machen zu lassen.

Stellen Sie sich dies auf 256 Seiten vor und mit gefühlten tausend Ausrufezeichen: Das ist der als Buch getarnte Wutruf der Bascha Mika.

Die 54-Jährige war lange „taz“-Chefin, nun steuert sie offenbar eine Karriere als Alice-Schwarzer-Double an. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie nicht die Männer, sondern die Mütter als Feinde des Feminismus erkennt. Mika hat keine Kinder, was auch okay wäre, würde sie nicht in die Falle der Emotionalisierung tappen und andere Lebensmodelle verteufeln. Ihr Buch ist ein weiterer Stein in der Mauer, die zwischen Eltern und Nicht-Eltern in der Gesellschaft zu wachsen scheint — lustigerweise jenseits der Geschlechtergrenzen.

Geiseln, die ihre Geiselnehmer lieben – „wir selber haben’s vermasselt“

Mika beschreibt das beschauliche Leben von „Eva“ in der Doppelhaushälfte und schimpft: dass Frauen nach der Kinderpause allenfalls Teilzeit arbeiten. Dass schon junge Frauen nie vorhätten, „Ernährerin“ einer Familie zu werden oder nur für sich selbst zu sorgen. Dass sie zu „feige“ seien, die Gleichberechtigung durchzuziehen. Dafür findet sie markige Sätze: „Nach vierzig Jahren Geschlechtertheater müssen wir feststellen: Wir selber haben’s vermasselt.“ „Wir sind Geiseln, die ihre Geiselnehmer lieben.“ „Frauen reden von Hingabe und meinen den Wunsch, sich in der Zweisamkeit aufzulösen wie ein nasses Brötchen.“ Sie untermauert alte, aufgemotzte Klassiker der Feminismus-Debatte mit Expertinnen: Trifft die Verhaltenstrainerin Marion Knaths, die gegen die „Klassiker aus der Weibchen-Kiste“ zu Felde zieht. Die Soziologin Franziska Lamott, die die Heimtücke weiblicher Aggressivität beschreibt. Oder die britische Feministin Natasha Walter, die im Buch „Living Dolls“ die „Rückkehr des Sexismus“ behauptet.

Mika denkt in der (männlichen) Entweder-Oder-Schmalspur

Zuweilen hat Bascha Mika Recht, ihre Polemik aber verleidet diese Einsicht.

Jaahaa

, es stimmt: Manche Frauen spielen

immer noch

lieber das sexy Mädchen, als Mitsprache einzufordern; sie denken zu kurzfristig und nicht über die Phase der Kinderaufzucht hinaus; sie machen sich nicht bewusst, wie sich finanzielle Abhängigkeit auf Partnerschaften auswirken kann.

Aber Bascha Mika geht zu weit. Mit keiner Silbe zeigt sie Verständnis für den enormen Druck, der auf

Menschen l

iegt, die berufliche und familiäre Verantwortung unter einen Hut kriegen wollen. Sie denkt in der (männlichen) Entweder-Oder-Schmalspur. Und geißelt lieber ein „Hormonkomplott“, als einen Gedanken darauf zu verwenden, dass das Zusammensein mit Kindern: Glück schenken kann.

Ein emotionales Argument, zugegeben, total weichgespült.

Also Zahlen. Fast ein Viertel der nach 1960 geborenen Frauen ist heute kinderlos. 25 Prozent ohne „Komfortzone“. Ja, da bräuchte es keine Quote mehr! Es sei denn, es würde vielleicht doch auch das männliche Machtgefüge die Frauen behindern. Nennen wir es: die Feigheit der Männer, mal neu zu denken.

Sind Frauen wirklich feige? Vier Antworten

Maria Gerstmann, Ökonomin, Mutter von Tabea (4) und Nicola (17 Monate):

„Ich war in der Wirtschaftsprüfung beschäftigt, das bedeutet eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden plus x. Es wird in Deutschland verlangt, dass man über die Arbeitszeit hinaus für ein Unternehmen verfügbar ist. Jetzt suche ich eine Teilzeitstelle im Bereich Finanzen– aber das ist schwierig, obwohl ich bis zu 30 Stunden anbiete. Ich finde nicht, dass Frauen feige sind. In einer Teilzeitstelle erfüllen sie ja auch noch die private Verantwortung.“

Amélie Niermeyer, Intendantin des Schauspielhauses Düsseldorf, Mutter eines 13-jährigen Sohnes:

„Bascha Mika hat vielleicht in einem Punkt Recht: Dass Frauen in Leitungsfunktionen rar sind, liegt auch an den Frauen selbst! Das Streben nach Führungspositionen und Autorität gilt nicht als weiblich. Das liegt aber nicht an der Natur der Frauen, sondern an den Umständen in der deutschen Gesellschaft. Für Frauen ist ein Leben mit Karriere und Kind schwierig zu vereinbaren, da es zu wenig Unterstützung von den Firmen, dem Staat und den Männern gibt.“

Dr. Anne Busian, Vertretungsprofessorin für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Fernuni Hagen, Mutter von Juli und Jonathan (beide 3):

„Eine Karriere in der Wissenschaft ist oft von befristeten Verträgen oder wechselnden Dienstorten geprägt; Dissertationen und Habilitations-Schriften entstehen abends nach dem Uni-Alltag. Nicht die „feigen Frauen“ sind das Problem, sondern die Strukturen. Wenn eine Frau neben ihrem Partner im vollen Umfang berufstätig sein will, braucht die Familie ein perfektes Betreuungskonzept.“

Dr. Monika Anders, Präsidentin Landgericht Essen:

„Ich kann nicht bestätigen, dass (alle) Frauen zu feige für eine Karriere sind. In der Justiz haben Frauen grundsätzlich dieselben Chancen, und viele wollen auch Karriere machen. Aber: Die Kinder kommen in einer Zeit, in der die Grundlagen für die Karriere gesetzt werden. Und es ist in der Regel immer noch so, dass nicht die Väter, sondern die Mütter eine nennenswerte Elternzeit nehmen. Der Verzicht auf die eigene Karriere kann kurzsichtig sein. Das weiß man aber meist leider erst hinterher.“