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„An euren Handys klebt unser Blut“

„An euren Handys klebt unser Blut“

Essen. 

Justin Nkunzi ist ein kräftiger Mann. Und einer, der gerne geradeaus redet. Beides kann er jetzt gut gebrauchen, denn der Pater aus dem Kongo ist im Lande unterwegs, um die Deutschen wachzurütteln. Er will ihnen mit seinen Argumenten Augen und Ohren öffnen, die sie jedes Mal verschließen, wenn sie ihr absolutes Lieblingsspielzeug in die Hand nehmen. Pater Nkunzi schnappt sich das handelsübliche Smartphone auf dem Tisch vor sich, hält es hoch und sagt: „An jedem eurer Handys klebt das Blut des Kongos.“

Ein schwerer Satz, der da im Raum liegt, und Justin packt noch einige verstörende Informationen drauf. „Ich komme aus Bukavo, ganz im Osten des Kongos, dort, wo sich seit 20 Jahren, seit dem Genozid im benachbarten Ruanda, über 40 Milizen untereinander bekriegen.“ Das hat bisher sechs Millionen Menschen das Leben gekostet, das hat aus Tausenden Kindern Soldaten, aus den Vätern Sklaven und aus Müttern Zwangsprostituierte gemacht. Die sexuelle Gewalt ist erschütternd hoch: Laut Studie sind rund 39% aller Frauen und 24% aller Männer im Land mindestens einmal in ihrem Leben Opfer einer Vergewaltigung geworden. Der Osten des Kongos ist der Hölle nah.

Aufruf zur Unterschriftenaktion

Es ging und geht dabei um viele Dinge, vor allem aber um Geld. Pater Nkunzi erklärt’s. „Im Jahr 2000 wurde weltweit das Coltan knapp. Es wurde so teuer wie Silber, und die verschiedenen Milizen sahen darin eine Chance, Geld für Waffen zu beschaffen.“ Auf fast 200 Millionen Euro im Jahr wird geschätzt, was die Warlords im Kongo durch den Handel mit Coltan und anderen Mineralien einsacken.

Die Gewinne sind so enorm, weil die Menschen vor Ort mit vorgehaltener Waffe in die Minen gezwungen werden. Viele Menschen werden wie Sklaven und nur so eben noch am Leben gehalten, die Arbeit ist hart und gefährlich, nur im Kriechen geht es durch die Stollen, die regelmäßig einbrechen.

Justin kennt die Opfer der Plackerei nur zu gut, seit Jahren arbeitet er als Pater in einem Traumazentrum, in das sich die Misshandelten flüchten, wenn sie können. Neben den Tausenden Zwangsarbeitern gibt es allein rund um die Stadt Bukavo 59 000 Kleinschürfer, die, so rechnet Justin schnell vor, nur einen Dollar für ein Kilogramm Coltan erhalten, das dann in Mitteleuropa für 400 Dollar verkauft wird.

Und was hat das mit dem Handy zu tun? Aus dem Erz Coltan wird Tantal gewonnen, das unverzichtbar ist für den Bau der Kondensatoren in Kameras, Laptops und eben Smartphones. Ein gefräßiger Markt.

Dem Justin jetzt einen festen Maulkorb verpassen möchte. Er baut dabei auf die Hilfe von „missio“, dem katholischen Missionswerk, das die Aktion „Saubere Handys“ gestartet hat, um zunächst Druck auf die großen Mobilfunkbauer auszuüben. Mit Unterschriftenlisten sollen die Firmen dazu gebracht werden, zukünftig auf Coltan aus unsauberen Händen zu verzichten. Sicherere Herkunftsnachweise, überprüfbare, wären dazu notwendig.

Auf dem US-Markt hat sich da gerade etwas getan. Der Dodd-Frank Act gebietet in Artikel 15 allen Firmen, die Lieferkette für diese Mineralien nachzuweisen. Das setzt auch europäische Firmen unter Druck, wenn sie in die USA liefern wollen. Gleichzeitig, so Justin, müssen die Arbeitsbedingungen im Kongo geändert, verbessert werden. Ein ganzer Berg von Arbeit und Problemen, bei dessen Abtragung aber vor allem eins helfen würde. „Wenn die Kämpfer kein Geld für die Waffen mehr haben, dann ist schon viel erreicht.“

Justin legt das Smartphone zurück auf den Tisch und sagt mit großem Ernst: „Ich denke schon, dass gerade auch die Deutschen hier in der Pflicht sind, etwas zu unternehmen. Die Amerikaner, die Russen und ihr liefert doch vor allem diese Waffen.“ Er lehnt sich zurück: „Ich habe da dieses Bild vor Augen. Ein kleiner Junge bei uns, er steht da vor mir, vielleicht elf, zwölf Jahre alt, halbnackt, keine Schuhe an den Füßen, aber eine hochmoderne Waffe in den Händen. Kann das irgendjemand wirklich wollen…“