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Wie Theo Koll in einem fliegenden Trike über Rio moderierte

Wie Theo Koll in einem fliegenden Trike über Rio moderierte

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Theo Koll Foto: Carmen Sauerbrei / ZDF
Das „Auslandsjournal“ des ZDF wird 40. Pünktlich zum Jubiläum ist es für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Im Interview spricht Moderator Theo Koll über seinen 11. September, die NSA-Affäre, einen Flug über Rio und seine Liebe zum feinen Zwirn.

Mainz. 

Ein schöneres Geburtstagsgeschenk für eine Sendung kann es kaum geben. Das ZDF-„Auslandsjournal“ ist, kurz vor dem 40-jährigen Jubiläum, für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, der am Mittwoch in Köln vergeben wird. Mit Moderator Theo Koll, Leiter der Hauptredaktion Außenpolitik, sprach Jürgen Overkott.

Wo waren Sie am 11. September 2001?

Theo Koll:

In der Redaktion von „Frontal 21“, bei der Vorbereitung der abendlichen Sendung, zu der es dann nicht mehr kam.

Wie haben Sie auf die Fernsehbilder vom brennenden World Trade Center reagiert?

Theo Koll: Ich war zutiefst betroffen, und ich erinnerte mich, dass wir nur wenige Monate zuvor einen Bericht von unserem Terror-Experten Elmar Theveßen, der damals noch in unserer Redaktion war, über die wachsende Gefahr von Al Kaida gesendet hatten. Deshalb ahnten wir relativ schnell, was da in New York los war.

„Die Menschen hatten das Gefühl, dass sich eine Zeitenwende anbahnt“

Dieses Ereignis hat sich, wie nur wenige sonst, ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Haben Sie eine Idee, welche Zutaten dafür nötig sind?

Theo Koll:

Ein Ereignis brennt sich ein, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sich damit eine Zeitenwende anbahnt. Wenn die Bilder zum Fanal, zum Symbol dieser Zeitenwende werden. Menschen, die sich in die Tiefe stürzen, aus dramatisch verwundeten, dann sterbenden Hochhäusern. Dazu kommt, neben dem Mitleid mit den betroffenen Menschen, auch die Gewissheit, dass es jeden von uns hätte treffen können – und das genau das die neue Ära prägt.

Bei 9/11 war das sicher so, weniger in dem Sinn, dass eine Ära endet, sondern eher, dass eine neue Ära beginnt. Was hat sich verändert?

Theo Koll:

Verändert hat sich die Form der Kriegsführung, es gibt inzwischen eine asymmetrische Kriegsführung, bei der Terror-Organisationen gegen Staaten kämpfen – mit dramatischen Folgen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Terror-Gruppen beispielsweise Kampf-Drohnen einsetzen. Das bedeutet für unsere Gesellschaft, dass sie überall verwundbar ist.

„Wir sind in Gefahr, das zu verlieren, was wir eigentlich schützen möchten“

Was hat sich im Hinblick auf die Bürgerrechte verändert?

Theo Koll:

Wir nehmen für die Sicherheit Einschränkungen unserer Freiheitsrechte in Kauf, die wir vor Jahrzehnten so nicht hingenommen hätten. Bei der Gratwanderung zwischen Sicherheit und Freiheit sind wir in Gefahr, das zu verlieren, was wir eigentlich schützen möchten.

Können wir einen Strich ziehen vom 11. September zur NSA-Affäre?

Theo Koll: Natürlich. Der Grad der Überwachung und die Kenntnis unglaublich vieler privater Informationen gehören zum Kernbereich des Konflikts zwischen Sicherheit und Freiheit. Wir sehen gerade, wie leicht im Namen der Sicherheit in unsere privatesten Lebensbereiche eingedrungen werden kann – und wird. Privatsphäre ist ein Begriff der Vergangenheit, aus der Zeit vor 9/11.

Ob Fukushima oder Eurokrise: Alles hängt mit allem zusammen

Nicht jedes Auslandsthema findet so viel Aufmerksamkeit wie der 11. September. Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, dass diese Themen in eine Ecke gedrängt werden. Leiden Sie darunter?

Theo Koll:

Im Gegenteil – auch weil der Eindruck täuscht. Im Grunde ist der 11. September ein Beleg dafür, dass „Außen“ immer auch „Innen“ ist. Wir leben, auch wenn das nach einer Binse klingt, in einer Welt, in der immer stärker alles mit allem zusammenhängt. Nehmen Sie die Finanz- und Eurokrise. Was ist da Innen- und was Außenpolitik? Oder Fukushima, das bei uns eine Wahl mitbeeinflusst hat. Wir haben im ZDF daraus die Konsequenz gezogen, dass wir außen- und innenpolitische Redaktionen zusammengelegt haben. Wir erleben – zumindest in meiner Wahrnehmung -, dass das Interesse an außenpolitischen Themen auch deshalb wieder stärker geworden ist. Unser „Auslandsjournal“ ist inzwischen bei rund elf Prozent Einschaltquote.

Mit Tempo 80 über Rio fliegen – und dabei moderieren

Das „Auslandsjournal“ ist für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Ist das ein vorgezogenes Geschenk zum 40-jährigen Jubiläum?

Theo Koll: Das ist herrlich. Ich habe mich über die Nominierung extrem gefreut, weil uns gerade die Brasilien-Sendung, um die es geht, viel Herzblut gekostet hat. Wir haben die Sendung noch aktualisiert, als die Proteste gegen die Fußball-Weltmeisterschaften aufkamen, waren u.a. mit Demonstranten unterwegs. Das waren ergreifende Dreharbeiten. Dazu kamen noch persönliche Erlebnisse wie der Flug mit 80 km/h über Rio in einem Trike, einer Art Motorrad mit Flügeln.

Haben Sie sich gefühlt wie Sean Connery?

Theo Koll:

Das hatte schon etwas Bizarres. Ich musste von dort oben ein paar Moderationen machen und hatte dafür ein spezielles, windgeschütztes Mikrophon auf dem Schoß, das aussah wie ein gerupfter Pudel. Leider war der einzige Haltegriff darunter verborgen, so dass ich mich nicht festhalten konnte. Aber der Pilot vor mir hatte mir im Vorfeld versichert, er fliege seit 40 Jahren – „und noch nie tot.“

Was hat bei Ihnen die Liebe zu Auslandsthemen geweckt?

Theo Koll:

Auch wenn es eigenwerblich klingt: Es waren der „Weltspiegel“ und das „Auslandsjournal“, beide Sendungen habe ich früh und begeistert gesehen.

Ich habe noch einen anderen Ansatz: Die Beatles sind schuld.

Theo Koll:

Hm, nein, die Beatles waren es bei mir nicht, eher amerikanische Soul-Musik. Ich fand Stevie Wonders Musik und Texte attraktiver als den deutschen Schlager.

Eines ihrer Markenzeichen ist Ihr Dress, Ihre Vorlieben zu gestreiften Hemden und oft lilafarbenen Krawatten. Sind Sie ein Fan britischer Herrenausstatter?

Theo Koll:

(lacht) Das würde ich nicht dementieren. Ich habe einen ganz jungen Schneider, der in London ein Kelleranwesen gemietet hat. An ganz hohen Feiertagen darf ich da hin.