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Wie France Gall die Krisen ihres Lebens überwand

Wie France Gall die Krisen ihres Lebens überwand

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Foto: Getty Images
France Gall, der Schlagerstar von einst, erholt sich nur langsam von den Schicksalsschlägen. 1992 starb ihr Mann Michel Berger, dann, nur fünf Jahre später, die an Mukoviszidose erkrankte Tochter Pauline (19). Doch heute sagt sie wieder: „Ich bin glücklich“.

Paris. 

In ihrem ersten Leben erstürmte sie als jung-naives Schlagersternchen die Hitparaden auf beiden Seiten des Rheins. Im zweiten stieg sie auf zum weltweit gefeierten Popstar. Es ist eine atemberaubende Karriere, auf die die Französin France Gall mit nunmehr 65 Jahren zurückblickt. Und womöglich würde sie sich heute immer noch in die Herzen der Menschen singen, hätten zwei Schicksalsschläge sie nicht vor eine harte Prüfung ihres Lebens gestellt: 1992 starb ihr Mann Michel Berger, dann, nur fünf Jahre später, die an Mukoviszidose erkrankte Tochter Pauline (19).

Viel Kummer und Leid

„Als Michel starb, hatte ich Lust weiter zu singen, doch als Pauline ging, wollte ich nur noch schweigen“, gestand die Künstlerin unlängst in einem „Paris Match“-Interview. Ein erschütternder, trauriger Vorsatz, den sie konsequent in die Tat umsetzen sollte: Denn in den vergangenen fünfzehn Jahren war es mucksmäuschenstill um France Gall. Neue Platten und Konzerte, Shows und Tingeltangel? Fehlanzeige. Stattdessen: Schluss mit lustig, absolute Stille.

Wer ihre leise und mitunter brüchige Stimme jetzt in einem der seltenen aktuellen Radiointerviews vernimmt, meint zu verspüren, wie viel Kummer und Leid, wie viel Bedrücktheit immer noch auf ihrer Seele lasten. Doch France Gall, die entzückte Amerikaner in den sechziger Jahren als „little french doll“ umjubelten, als „das französische Püppchen“, hat auch eine andere Seite: die einer tapferen Kämpferin, die sich selbst nach dem niederschmetterndsten Schlag wieder aufrappelt. Und heute von sich sagt: „Ja, ich bin glücklich.“

Ein Girlie mit gescheitelter blonder Mähne

Die Sechziger: Da schaffte die zierliche Pariserin, ein Girlie mit gescheitelter blonder Mähne, tiefbraunen Augen, Minirock und Kniestrümpfen, mit gerade einmal 17 auf Anhieb die Sensation. Die Sängerin mit der glockenhellen Schmeichelstimme gewann in Luxemburg den Grand Prix de l’Eurovision und war die Prinzessin des Chansons.

Es war eine unbeschwerte und heitere Zeit auch voller Naivität. Bezeichnend die berühmte Lollipop-Affäre, die ihr ihr Komponist, der geniale Serge Gainsbourg („Je t’aime“), einbrockte. Denn das so unschuldig dahingeträllerte Liedchen vom „Dauerlutscher“ („Les Sucettes“) entpuppte sich als eindeutig zweideutig, dass es einen Skandal auslösen sollte.

Wie schwierig es ist, sich aus der engen Schlagerschublade herauszuwinden, erlebte die Pariserin während der sechs Jahre in Deutschland. Zwar verzückte sie auch im Wirtschaftswunder-Land das glückselig schunkelnde Publikum, etwa mit Hits wie „Ein bisschen Goethe, ein bisschen Bonaparte“ (1968) oder dem Gassenhauer „Zwei Apfelsinen im Haar“ (1969), sie heimste sogar Goldene Schallplatten ein, aber künstlerisch ging’s nicht weiter.

Aus Kollegen wurden Eheleute

Neuen Schwung bekam ihre Karriere erst wieder daheim in der Seine-Metropole, als sie 1973 Michel Berger begegnete, der großen Liebe ihres Lebens. Mit ihm, dem Pianisten, Komponisten und Sänger, dem quirligen Spross einer bekannten Pariser Intellektuellenfamilie, teilte sie fortan alles: die Bühne und das Bett, den Tag und die Nacht. Aus Kollegen wurden Eheleute, die ein Traum-Duo bildeten. Er schrieb ihr maßgeschneiderte Hits wie die Ella-Fitzgerald-Hommage „Ella, elle l’a“ („Elle, sie hat’s“) oder „Babacar“ und sie erstürmte die Spitze der Charts. „Wir führten ein zauberhaftes Leben“, erinnert sich France Gall. Und fügt hinzu: „Der Erfolg, das Glück in der Familie: es war die absolute Perfektion.“

Ein Glück, das 1992 zerstört wurde, als Berger mit 44 Jahren beim Tennis zusammensank. Diagnose: Herzinfarkt. Fünf Jahre später die nächste Tragödie: der Tod Paulines, der ältesten Tochter. Ein Doppelschlag, von dem sie sich erholt hat. „Heute kann ich wieder unter Leuten sein, die fröhlich sind.“