Veröffentlicht inPanorama

Vater von Mordopfer fordert Gerechtigkeit für Frederike

Vater von Mordopfer fordert Gerechtigkeit für Frederike

imago_st_0505_22160001_64466627.jpg
Hans von Möhlmann der mutmaßlicher Mörder der Tochter wurde freigesprochen zu Gast in der ARD Talks Foto: imago
Darf ein mutmaßlicher Mörder trotz neuer Beweise unbehelligt bleiben – weil er schon mal freigesprochen wurden? Ein Vater verlangt, das Recht zu ändern.

Celle. 

„Gerechtigkeit für meine ermordete Tochter Frederike. Der Mord muss gesühnt werden“. Es sind zu Herzen gehende Worte, die Hans von Möhlmann wählt. Sie stehen über einer Petition, die der 72-jährige Herr aus Celle über das weltweit größte Petitionsportal „change.org“ ins Netz stellte.

Sie richtet sich an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). In den ersten Wochen haben 35 000 Menschen unterzeichnet. Es werden immer mehr. Sie fordern: Einem Mörder muss bei einer neuen und eindeutigen Beweislage zweimal der Prozess gemacht werden können – selbst, wenn er für die gleiche Tat freigesprochen wurde.

Hans von Möhlmann ist kein Populist. Doch wer seine Tochter, die 17-jährige Frederike, in der Nacht des 4. November 1981 vergewaltigt und mit zahlreichen Messerstichen brutal ermordet hat, als diese von der Chorprobe heimkam, scheint aufgeklärt zu sein. Ismet H., heute 56, läuft frei herum. Er lebt in einer anderen Stadt. Die Justizbehörden wissen, wo. In einem ersten Prozess 1983 konnten die Richter die Mordtat nicht nachweisen, der Weg des Nachweises über Reifenspuren von H.’s BMW war nicht eindeutig genug. Ein Freispruch war folgerichtig. Eine DNA-Analyse gab es noch nicht.

Gewissheit seit drei Jahren

Heute gibt es sie. Die DNA eines Haares von H. stimmt mit der überein, die in der Binde der Toten gefunden wurde. Den Abgleich hat Hans von Möhlmann 2012 erzwungen. Jetzt fragt sich der 72-Jährige: Warum wird der Täter nicht zur Verantwortung gezogen?

„Mir wird gesagt, meine Forderung würde den Rechtsfrieden stören. Welcher Rechtsfriede kann herrschen, wenn ein überführter Täter unbehelligt bleibt? Und weiter: „Frederike ist tot und von ihr existiert nicht einmal mehr ein Grab. Sie durfte ihr Leben nicht mehr führen, wohl aber der Täter.“

Die gentechnische Analyse ist die große Erfolgsstory der Kriminalwissenschaften. Sie wurde bei einem Massentest Ende der 90er-Jahre im westfälischen Telgte erstmals in Deutschland angewendet. Heute gibt es in der Analysedatei beim Bundeskriminalamt 839 000 Personendatensätze und 272 000, die als Spuren gesichert werden konnten. 157 000 Mal konnten seit der Einrichtung Taten aufgeklärt werden – von Raub über Vergewaltigung bis zum Mord.

Lösung spektakulärer Morde

Es sind spektakuläre Morde, die so gelöst werden konnten: Der am Modemacher Rudolf Mooshammer. Das war 2005. Der Tod einer vergewaltigten Frau, die 1995 zur Vertuschung aus einem fahrenden Zug bei Dresden geworfen worden war. Auch dass der RAF-Terrorist Wolfgang Grams beim Anschlag auf den Hoesch- und Treuhand-Manager Detlev Karsten Rohwedder in Düsseldorf-Oberkassel dabei war, gilt dank der Gen-Analyse als sicher.

Die Aufklärung des Mordes an Frederike könnte sich gut in diese Erfolgsgeschichte einordnen. Doch die Politik sträubt sich seit langem, den mehr als ein Jahrhundert alten Paragrafen 362 der Strafprozessordnung zu ergänzen. Heute lässt er eine Wiederaufnahme nur bei einem „glaubwürdigen Geständnis“ eines Täters zu.

Wissenschaft für die Wiederaufnahme von Strafprozessen

Kritiker verlangen deshalb, dass neue wissenschaftliche Methoden einen neuen Strafprozess in einem längst abgeschlossenen Fall möglich machen. In Österreich, England, Finnland, Norwegen und Schweden geht das problemlos. Die Europäische Menschenrechtscharta verlangt es auch.

2008 haben die Länder Hamburg und NRW mit einer Gesetzesinitiative versucht, die Korrektur durchzusetzen. Die Vorlage 16/7957 versandete im Berliner Parlamentsbetrieb. In einer Stellungnahme der Bundesregierung hieß es zwar: „Das Anliegen ist gut nachvollziehbar“. Aber die verfassungsrechtlichen und strafprozessrechtlichen Hürden seien hoch. Die müsse man erst prüfen.

Passiert ist: Nichts. Hat Hans von Möhlmann noch eine Chance, den Mörder seiner Tochter verurteilt zu sehen? Er versucht es über einen zivilrechtlichen Schadenersatz gegen Ismet H.. An diesem Mittwoch wird das Landgericht Lüneburg über eine Verjährung des Anspruchs entscheiden. Denn zivilrechtliche Ansprüche verjähren nach 30 Jahren.

Mord verjährt nie. Doch das Bundesjustizministerium hat in ei­ner Stellungnahme erklärt, dass ei­ne Onlinepetition über change.org keine Grundlage für eine Behandlung im Bundestag ist. Von Möhlmann könne ja eine solche Petition direkt beim Petitionsausschuss starten. Dann müssen 50 000 Un­terschriften her.