Veröffentlicht inPanorama

Nagelneue Wasserzähler werden wegen Bakterien ausgetauscht

Nagelneue Wasserzähler werden wegen Bakterien ausgetauscht

48013442264034.jpg
Reportage über die Abteilung für Wasseruhren bei Gelsenwasser Foto: Thomas Schmidtke / WAZ FotoPool
Krankenhauskeime sind für die meisten Menschen ungefährlich, aber im Trinkwasser will man sie trotzdem nicht haben. Darum rücken jetzt in tausenden Haushalten die Mitarbeiter der Wasserversorung an – und bauen frisch installierte Zähler aus. Denn die Geräte wurden als Bakterienschleudern entlarvt.

Essen. 

In Tausenden Haushalten rücken derzeit die Wasserversorger an, bauen nagelneue Zähler aus und ersetzen sie durch noch neuere. Grund ist die Sorge vor einem Bakterium, das zumindest für kleine Kinder und Kranke mit schwachem Immunsystem gefährlich werden kann: Pseudomonas aeruginosa. Kaum zu glauben, dass es wirklich mit fabrikneuen Wasserzählern eingeschleppt worden sein soll – aber so ist es wohl.

Pseudomonas aeruginosa wird auch als „Pfützenkeim“ bezeichnet, weil er in so gut wie jeder Pfütze vorkommt. Gleichzeitig ist er einer jener gefürchteten Krankenhauskeime, gegen die kaum noch ein Antibiotikum hilft. Er gilt für gesunde Erwachsene als unbedenklich. Doch wer schon ein geschwächtes Immunsystem hat, bei dem können Pseudomonaden Lungenentzündungen und andere schwere Krankheiten auslösen. Und er kann sogar daran sterben wie im Jahr 2009 das brasilianische Fotomodell Mariana Bridi Costa.

In Hamburg stand der Wasserversorger vor einem Rätsel

Dass ausgerechnet neue Wasserzähler mit diesem Keim befallen sein sollen, kam im August in Hamburg heraus. Hier hatte man die Bakterien über Monate immer wieder im Trinkwasser einer neu gebauten Kindertagesstätte im Vorort Schenefeld festgestellt: Gemessen wurden laut einem Bericht des Hamburger Abendblatts hunderte Koloniebildende Einheiten (KBE) pro 100 Milliliter Wasser – der Grenzwert für Kindergärten liegt bei Null.

[kein Linktext vorhanden]Es war wie verhext: Die Wasserwerke spülten die Leitungen, tauschten Wasserhähne aus, am Ende sogar die Rohre – trotzdem blieb der Bakterienbefall gleichbleibend hoch, die Hamburger Kita durfte nicht eröffnet werden. Erst als man anfing, auch nicht verbautes Material aus den Lagerbeständen des Versorgers Hamburg-Wasser zu testen, kam man darauf, dass die nagelneuen Zähler der Quell des Übels sein müssen. Genauer gesagt: das Wasser darin – denn Wasserzähler werden aus technischen Gründen nicht trocken ausgeliefert, sondern mit Restwasser im Innern.

Düsseldorf tauscht aus, Essen prüft noch

Der Hamburger Befund löste auch in anderen Städten eine Jagd nach Pseudomonas aeruginosa und nach verdächtigen Wasserzählern aus:

  • Seit Mitte Oktober werden in Köln etwa 3000 Zähler ausgetauscht, die erst im Monat zuvor montiert wurden. Das Versorgungsunternehmen Rhein-Energie hatte festgestellt, dass sowohl im Wasser als auch in einzelnen Zählern die genannten Keime auftraten.
  • Am 17. Oktober meldeten auch die Stadtwerke Düsseldorf, dass sie bei Proben auf verunreinigte Wasserzähler aufmerksam geworden sind. Nun wollen sie bis Mitte November etwa 3800 Wasserzähler austauschen – darunter auch etwa 500, die sie in Haushalten der Nachbarstadt Mettmann installiert haben.
  • In Dortmund baut der Versorger DEW 21 grundsätzlich Zähler aus Messing ein. In denen wurden bisher keinerlei Bakterien festgestellt, gab eine Sprecherin des Versorgungsunternehmens Entwarnung.
  • In Essen wird noch geprüft, ob ebenfalls Zähler ausgetauscht werden müssen. Die Stadtwerke haben rund 25 Zähler aus ihren Regalen an ein Labor übergeben, das sucht darin nun nach Pseudomonaden. „Das Ergebnis erwarten wir nicht vor Montag“, sagte ein Sprecher der Stadtwerke auf Nachfrage unserer Redaktion. Auffällige Pseudomonaden-Funde im Essener Trinkwasser gebe es derzeit nicht.

Nach bisherigem Kenntnisstand sind Chargen von drei deutschen Zähler-Herstellern betroffen. Bislang bietet nur die Kölner Rhein-Energie ihren Kunden an, im Internet selbst zu abzufragen, ob der eigene Zähler zu den verdächtigen Geräten gehört. Andere Versorger informieren aber ebenfalls alle Kunden, die ihrer Ansicht nach betroffen sein könnten – etwa per Post.