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Lümmel und Gentleman – Rolling-Stones-Boss Mick Jagger wird 70

Lümmel und Gentleman – Rolling-Stone Mick Jagger wird 70

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Mick Jagger wird 70
Er lebte Provokation, und sein Publikum liebte ihn dafür. Ober-Rolling-Stone Mick Jagger gab gern den wilden Mann und kam damit bei den Frauen gut an. Politiker-Gattinnen und Supermodels – Mick Jagger hatte sie alle. Zugleich gilt er als fürsorglicher Familienvater mit guten Manieren. Jetzt wird er 70.

London. 

Mick Jagger wird 70, und alle, alle haben sich zum Geburtstagsständchen versammelt. Ich bin sein größter Fan, schwärmt Bono in diesen Tagen, auch nicht gerade eine graue Maus. Selbst unser Heino will nicht abseits stehen, öffnet zum festlichen Anlass bereitwillig seinen Schallplattenschrank, und da findet sich, guck mal einer an: „Sticky Fingers“, das Album mit dem Hosenschlitz. Das ist aber unser Mick, rufen empört Heino-ferne Stones-Fans, die Jagger als Ikone der Ungezogenheit verehren, während die Musiker seine unerschöpfliche Kreativität loben und die Banker den beinharten Geschäftssinn bewundern.

Wer ist dieser Sir Michael Philip Jagger, fragt man sich angesichts solch kontroverser Meinungsbildung verwirrt, und wenn ja: wie viele? Nun, zuallererst ist Mick Jagger natürlich der Boss der größten Band der Welt.

Fünf Jahrzehnte Rolling Stones, ein halbes Jahrhundert Rock’n’Roll, ohne sich lächerlich zu machen, das gab’s nur einmal, das kommt nie wieder. Das ist schon was, auch wenn der Altersjubilar es herunterspielt. „Rocksänger zu sein, das ist intellektuell nicht besonders herausfordernd“, hat er in einem aktuellen Interview behauptet und bedauert, dass er Karrierepläne wie Lehrer, Journalist oder Politiker nicht weiter verfolgt habe.

Lehrer, Journalist, Politiker? Das hätte gerade noch gefehlt. Die Sortierung der Jaggerschen Aktivitäten kostet schon Mühe genug. Als Schauspieler versuchte er sich mehrfach, zeigte dort „mehr als nur Talent“ (Wim Wenders). Kinohits wie „Enigma“ (mit Kate Winslet) wurden von ihm produziert, derzeit ist eine Verfilmung des Lebens der Soul-Legende James Brown in Vorbereitung, und für die Filmmusik zu „Alfie“ gab es einen Golden Globe.

Die Zusammenarbeit mit Musikern außerhalb des Stones-Kosmos ist stets fruchtbar, beispielsweise beim Projekt „SuperHeavy“ mit Joss Stone, Dave („Eurythmics“) Stewart oder Damien Marley, das unlängst fulminantes Lob einfuhr. Mit Lenny Kravitz hat Mick Jagger auch mal ein Album aufgenommen, und der hat sich über die 1000 Gesichter gewundert wie wir Sterblichen.

Als „sehr englisch“ erlebte der Amerikaner seinen Gast, als bescheidenen Gentleman mit vollkommenen Umgangsformen, doch wenn Jagger am Mikrofon stand, vollzog sich eine wundersame Verwandlung. Dann wurde es schmutzig, erregend, zügellos.

Mick Jagger hatte sie alle

Auf die Damen hat das immer großen Eindruck gemacht. Politiker-Gattinnen und Supermodels – Mick Jagger hatte sie alle. Bianca und Jerry Hall, die beiden verflossenen und außerdem Kummer gewohnten Ehefrauen, lassen dennoch nichts auf den Ex kommen, auch weil er sich liebevoll um die Kinder kümmert.

Um alle sieben übrigens, auch die, die er von Auswärtsspielen anschleppte. Beim Ponyreiten der jüngsten Tochter traf man ihn zuweilen im Londoner Park, unscheinbar und freundlich lächelnd, und gern nutzte er bei solchen Ausflügen einen alten Käfer, um ja keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Den 70. Geburtstag, der eigentlich am Freitag ansteht, hat Jagger mit den Stones-Kollegen schon gefeiert, nach dem Abschlusskonzert der Jubiläumstour im Londoner Hyde Park. Großartig seien sie gewesen die Stones, jubelten die Kritiker, und Mick Jagger ein einmaliges Bündel an Energie! Nach nur zwei Stunden im exklusiven Loulou Club ging man dennoch zu Bett, größere Ausschreitungen wurden nicht bekannt.

Selbst Ronnie Wood blieb zur allgemeinen Enttäuschung der Fotografen nüchtern, und Keith Richards war erst gar nicht gekommen und hatte sich lieber schlafen gelegt. Am Image der Stones, am Kult um den Frontmann, kann das natürlich nicht kratzen. Auch mit 70 bleibt Mick Jagger, diese „interessante Gruppe von Typen“ (Charlie Watts) in erster Linie der Lümmel, der an die Tankstelle pinkelt und der Tochter des Bürgermeisters den Kopf verdreht.