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Ihre größte Demütigung lässt Heide Simonis nicht los

Ihre größte Demütigung lässt Heide Simonis nicht los

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dpa picture-alliance-56455768-highres.jpg Foto: picture alliance / dpa
Heide Simonis war die erste Frau an der Spitze eines Bundeslandes. Nach mehreren Rückschlägen geht sie nun unter die Krimiautoren.

Kiel. 

Heide Simonis lässt sich nicht viel Zeit. Es dauert gerade einmal anderthalb Seiten, bis sie auf die Politik zu sprechen kommt – sie beschreibt das Wetter („Der Himmel hatte die Farbe von reifen Pflaumen angenommen“) und macht flugs einen Exkurs zur Debatte um den Klimawandel und zur Frage, „ob die Politik bereit ist, dafür Sondermittel zur Verfügung zu stellen“. Heide Simonis hat einen Krimi geschrieben. Vordergründig dreht er sich um die Ermittlungen in drei Mordfällen an der deutsch-dänischen Grenze. Tatsächlich geht es auch um Simonis selber. Die einstige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein ordnet ihre Sicht auf die Dinge. Sie will in guter Erinnerung bleiben.

Wer war der Mörder? Um diese Frage kreist ihr Roman „Heringstage“ („Ein Schleswig-Holstein-Krimi“), um diese Frage kreist Heide Simonis’ Denken. Sie ist Anfang des Monats 73 geworden, elf Jahre ist ihre spektakuläre Wahlniederlage schon her. Doch das Drama vom 17. März 2005 hat sie bis heute nicht völlig überwunden. „In Schleswig-Holstein gibt es nicht viele Menschen, die politischen Einfluss haben. Man sieht die Leute immer wieder und fragt sich: Wer von denen war’s?“, sagt Simonis.

Presse schrieb damals vom „Heide-Mörder“

Wer sich länger mit ihr unterhält, landet unweigerlich bei diesem Thema: Wer ist der anonyme Abweichler, der sie stürzte? Irgendein Unzufriedener aus der SPD-Fraktion verweigerte ihr bei der geheimen Wiederwahl zur Ministerpräsidentin viermal die Stimme. Die Presse schrieb damals vom „Heide-Mörder“. Simonis fühlte sich gedemütigt. Dabei waren ihr in den zwölf Jahren ihrer Amtszeit die Sympathien zugeflogen. Sie galt als volksnah, fröhlich, etwas vorlaut. In der Kieler Staatskanzlei gab sie sich locker. Die Chefin lief barfuß herum, man ging zusammen einkaufen und ins Kino. Nach dem Verrat zog sie sich ganz aus der Politik zurück. Sie fragte: „Und was wird aus mir?“

Seit dem Ende ihrer Amtszeit wirkte Simonis lange glücklos. Da war „Let’s Dance“, 2006. Simonis war deutlich älter als die anderen Teilnehmerinnen, als sie bei der RTL-Tanzshow mitmachte. Sie wollte Werbung machen für das Kinderhilfswerk Unicef, dessen Deutschland-Vorsitzende sie zu der Zeit war, und gegen harmlose Unterhaltung hat sie sowieso keine Vorbehalte. Nur richtig tanzen konnte sie nicht, die Fachjury kritisierte sie nach jedem Auftritt in Grund und Boden. Die „Bild“ spottete: „Ihr Getanze bei RTL verstößt gegen Artikel 1 des Grundgesetzes – ,Die Würde des Menschen ist unantastbar‘“. So wurde aus Heide Simonis eine Lachnummer. Später gab sie zu, die Teilnahme an der Show sei ein Fehler gewesen.

Die plötzliche Freiheit nutzt sie zum Schreiben

Auch ihr ehrenamtliches Unicef-Engagement verlief eher kümmerlich. Nach einem vermeintlichen Spendenskandal – an dem sie keine Schuld trug – musste sie 2008 zurücktreten.

Fortan hatte Simonis Zeit. Sie hat ein Faible für Flohmärkte, ihre Kieler Wohnung ist voller Antiquitäten. Und sie liest viel: „Donna Leon sehr gerne. Dabei kann ich mich erholen.“ Irgendwann kam sie auf die Idee, selbst einen Krimi zu schreiben. Fast zwei Jahre habe sie daran gearbeitet. „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass das so schwer ist.“ Jetzt ist „Heringstage“ erschienen.

Simonis leidet an Parkinson

Heide Simonis hat keine Zeit zu verschenken. Sie ist krank. 2012 bekam sie die Diagnose Parkinson. Die Nervenkrankheit ist unheilbar. Immer wieder die Gesundheit: Als Kind litt sie unter Asthma, als Ministerpräsidentin überstand sie den Brustkrebs. Manchmal frage sie sich, warum es immer sie treffe.

Es gehe ihr ganz gut, sagt sie, nur das Sprechen falle ihr etwas schwer. Öffentlich tritt sie nur noch selten auf. „Ich muss mit meinen Kräften haushalten.“ Ob sie Zukunftspläne habe, vielleicht noch einen Krimi? Simonis zögert. Sie habe Gefallen am Schreiben gefunden. Versprechen kann sie aber nichts. „Ich muss genau überlegen, wie es weitergeht.“